Buch: Einwanderungsland Schweiz

Texte vom letztjährigen «Der Bund»-Essay-Wettbewerb

Der 12. «Der Bund»-Essay-Wettbewerb stand im vergangenen Jahr unter dem Titel «Wir sind ein Einwanderungsland - schmeckt Ihnen das?»

Im Umgang mit der Frage, wie ein positives Selbstverständnis der Schweiz als Migrationsland aussehen könnte, kommt man um eine Tatsache nicht herum und kann sie sich auch nicht zurechtbiegen: Geschichte wiederholt sich. Es wird immer irgendwo Fremde geben im Spannungsfeld zwischen Kulturschock, «sich selbst treu bleiben» und «dazugehören wollen». Dass es keine einfachen Lösungen zum Thema Migration gibt, zeigen die 108 eingereichten Texte mit grosser Offenheit, verschiedenster Herangehensweise und Sprache. Sie zeugen von Bereicherung aber auch von Überforderung, Politikverdrossenheit und Unmut. Dass die Schweiz früher selbst auch ein Auswanderungsland war, wird vielschichtig in Erinnerung gebracht. Die 20 besten Essays liegen nun in Buchform vor.

Da fliegt beispielsweise die vertane Chance einer Begegnung in Gestalt einer schneeweissen Taube davon und hinterlässt Leere, ein analytisches 6-Gänge-Menü wird aufgetischt, die «kollektive Selbstbezogenheit der Dazugehörenden» fordert Selbsthinterfragung – auch oder gerade, wenn Erinnerungen an die eigene Familiengeschichte aufflackern. Es geht um Rohstoffe, ein trotzig-wortgewaltiger Toast auf das irritierende Fremde wird ausgesprochen. Man begegnet dem Sandkasten als Schauplatz gesellschaftlicher Interaktion, erhascht ganz persönliche Einblicke in Migrationsschicksale, muss akzeptieren, dass sich Second*as zuweilen noch immer mit dem Stempel des Andersseins gekennzeichnet fühlen. Da gibt es eine nüchterne Sicht auf unser Schweizer «Mäuseparadies», zuweilen stösst die Leser*in auf unverhüllte Agitation. Eine gewisse Arroganz zu wissen, welche Bedürfnisse Migrant*innen im Allgemeinen wie auch im Einzelfall haben (beziehungsweise haben dürfen), wird verschiedentlich widerspiegelt. Es wird beleuchtet, dass Einwander*innen in «Kategorien» gesteckt werden, die bevorzugten Ausnahmen im Sport inklusive. Angesprochen wird auch, dass «weder undifferenzierte menschenverachtende Angstmacherei oder naiv-blinder Gutmensch-Multikulturalismus gangbare Wege aufzeichnen noch echte Hilfestellung leisten können». Wo setzt gegenseitige Toleranz an und wo bleibt sie lediglich fehlender Mut zur Auseinandersetzung?

Dass in dieser globalisierten Welt endlich Verantwortung getragen werden muss – im Grossen wie im Kleinen – ist unbestritten. Bewusstwerden der wunden Punkte unserer Zeit tut Not. Der Band ist als Schmelztiegel für Gedanken zum Thema deshalb besonders wertvoll – leicht zu verdauen ist er nicht. Jeder einzelne Beitrag ist auf seine Art würdig und überdenkenswert; so kann vermutlich nur eine portionsweise Lektüre den Essays in ihrer ganzen Tragweite gerecht werden.

Andrea Huwyler

Sury Alexander (Hg.) Wir sind ein Einwanderungsland – schmeckt Ihnen das? 12. «Der Bund»-Essay-Wettbewerb Zytglogge, 2018, 206 S. CHF 34.00

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