Gottesdienst im Berner Münster zur Eröffnung der neuen Legislatur der eidgenössischen Räte. 2. Dezember 2019. Foto: Ruben Sprich

«Das Gebet stiftet die Weltordnung»

Gottesdienst für die eidgenössischen Parlamentarier*innen

Vor der Vereidigung der Parlamentarier*innen im Bundeshaus stand am 2. Dezember ein besinnlicher Moment auf dem Programmpunkt – die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) lud zum ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Legislatur der Eidgenössischen Räte ins Berner Münster.

Es war ein Gottesdienst für die Parlamentarier*innen. Pfarrer Daniel de Roche, Präsident der AGCK, sagte zur Begrüssung, es gehe darum, Ruhe zu finden, für Seele, Geist und Körper. Ruhe – bevor die politische Arbeit mit der neuen Legislatur beginne. Dieser Gedanke zeigte sich im Verlauf des 60minütigen Gottesdienstes immer wieder. In einer spirituellen Unterbrechung sollten die Politiker*innen Stärkung finden, Unterstützung und Beistand.

Gekommen waren einige. Die neu gewählte Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (Grüne) und der Schwyzer Nationalrat Alex Kuprecht hielten Ansprachen. Im Publikum sassen etwa Albert Rösti (SVP), Andrea Gmür (neue Ständerätin für den Kanton Luzern von der CVP), der Genfer Nationalrat Christian Lüscher (FDP) oder auch Maya Graf, neue Ständerätin für Baselland von den Grünen.

Liebe in der Politik

Lisa Mazzone erinnerte in ihrer Ansprache an das Wesentliche, an das, was uns erst zu Menschen mache – die Liebe, die Nächstenliebe, dass man zueinander schaut. Das möge im Zusammenhang mit der Politik bisweilen altmodisch klingen. Durch Kinderbücher sei sie auf die biblischen Geschichten aufmerksam geworden, etwa auf den barmherzigen Samariter oder den Zöllner Zacharias. Der Samariter habe ohne Rücksicht einfach nur geholfen. Jesus seinerseits hatte keine Berührungsängste und sei auf Zacharias zugegangen. Respekt vor den anderen, Liebe zum Nächsten – das seien Werte, die man auch in der Politik beherzigen müsse, so Lisa Mazzone.

Dem Herzen folgen

Alex Kuprecht forderte seine Kolleg*innen in der Politik auf, den Mut zu haben, der inneren Überzeugung zu folgen, «ohne Rücksicht auf die Parteilinie». Man müsse dem Herzen folgen, sich selbst bleiben. Er erinnerte an die Verantwortung als Politiker. Man sei für die Menschen da. Frühere Generationen hätten das Staatswesen aufgebaut, hier gelte es «in Dankbarkeit und Verantwortung» weiter zu arbeiten. Wichtig dabei, so Alex Kuprecht, man solle sich als Politikerin, als Politiker nicht zu ernst nehmen.

Predigt von Prof. Barbara Hallensleben

Die Predigt hielt dann Barbara Hallensleben, Professorin für Dogmatik und Theologie der Ökumene an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg. Sie ist römisch-katholisch. Die Christkatholikin Angela Berlis, die ebenfalls predigen sollte, war erkrankt.

Ausgangspunkt der Predigt von Barbara Hallensleben war eine Stelle aus dem 2. Petrusbrief (3,13): «Wir erwarten gemäss seiner Verheissung einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt.»

Der christliche Glaube habe die politische Tätigkeit geadelt, so Barbara Hallensleben. Angesichts der versammelten Politker*innen könne man behaupten, die Politik stifte die Weltordnung. Der jüdische Religionsphilosophen Franz Rosenzweig jedoch war der Auffassung, «das Gebet stiftet die Weltordnung». Das Gebet sei von jeder «Begrenztheit des Augenblicks befreit und eröffne einen völlig neuen Horizont».

Als Ökumenikerin erwähnte Frau Hallensleben in diesem Zusammenhang die erste europäische ökumenische Versammlung 1989 unter dem Titel «Frieden in Gerechtigkeit». In Basel sei man ungehindert durch das Dreiländereck spaziert, für die Teilnehmer*innen aus der damaligen DDR, namentlich aus Leipzig, offenbar ein beeindruckender Vorgang. Am Mauerfall seien dann Christi*innen massgeblich beteiligt gewesen. Barbara Hallensleben zitierte Horst Sindermann, damals Mitglied im Zentralkomitee der regierenden Sozialistischen Einheitspartei, mit den Worten: Man sei auf alles vorbereitet gewesen, nur nicht auf Kerzen und Gebete.

Im himmlischen Jerusalem, so Barbara Hallensleben, gebe es alles, nur keinen Tempel, keine Kirche. Diese sei nicht mehr nötig. Scherzhaft merkte sie an, vielleicht gebe es ein beleuchtetes Bundeshaus. Es gebe aber eine Lücke, zwischen dieser Verheissung, auf den neuen Himmel und die neue Erde und der aktuellen Realität. Auch das Gebet könne diese nicht schliessen. Gott allerdings schon, indem Jesus Mensch geworden sei. Bis zu dem Tag, wie es in den Offenbarungen, dem Buch des Apostels Johannes heisse, wo sich Frieden und Gerechtigkeit umarmen.

Alle vier Jahre

Der Gottesdienst, der alle vier Jahre nach den nationalen Wahlen stattfindet, war geprägt durch viele Gebete und Psalmworte. Es nahmen heuer rund 100 Personen teil, neben Parlamentarier*innen auch deren Familien und Vertreter*innen fast sämtlicher Kirchen. Die römisch-katholische Kirche wurde durch Denis Theurillat vertreten, Weibischof des Bistum Basel.

Musikalisch wurde der Anlass vom Münsterorganisten Daniel Glaus und einem beeindruckenden Chor der serbisch-orthodoxen Kirche begleitet. Den Gottesdienst organisiert und die Liturgie konzipiert hatte Anne Durrer, Generalsekretärin der AGCK.

Andreas Krummenacher

 

Lesen Sie hier den Artikel auf der Webseite der AGCK, 3. Dezember 2019

 

 

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