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Bischofsvikar Georges Schwickerath, seit August 2019 Stellvertreter des Bischofs in der Bistumsregion St. Verena. Foto: Christiane Elmer

«Die Kirche muss aus der Sakristei heraustreten»

Begegnung in Biel mit Georges Schwickerath, Bischofsvikar in der Bistumsregion St. Verena.

Begegnung in Biel mit Georges Schwickerath, Bischofsvikar in der Bistumsregion St. Verena, zu der auch der Kanton Bern gehört.

Interview: Christiane Elmer, Angelus

Was sind die Aufgaben eines Bischofsvikars?

Es ist eine Arbeit im Team. Im Bischofsvikariat hier in Biel arbeiten Frau Edith Rey, Leiterin, und Pater Jean Jacques Theurillat, Bischofsvikar für den «Jura Pastoral». Zu dritt vertreten wir den Bischof von Basel, Felix Gmür, in den Kantonen Bern, Jura und Solothurn. Und dies in Bezug auf die Landeskirche gegenüber den Pfarreien und den Mitarbeitenden der Pfarreien. Bischofsvikare haben das Recht, Jugendliche zu firmen, was mir persönlich eine grosse Freude bereitet. Und wir sind auch Mitglieder des Bischofsrates, also enge Mitarbeiter des Bischofs. Gemeinsam besprechen wir wichtige pastorale Themen und Projekte und nehmen auch Verantwortungen im Personalbereich wahr. Und schliesslich halten wir den Kontakt zur Basis.

Fehlt Ihnen die Pastoral nicht zu sehr?

Doch. Glücklicherweise gibt es Firmungen, liturgische Feiern, Installationen von Priestern und Einsetzungen von Seelsorgemitarbeitern sowie weitere Aufgaben, die der Bischof an uns überträgt. Aber es stimmt schon, dass mir die tägliche Seelsorge fehlt: Es gibt keine Taufen mehr, keine Bestattungen und man hat nicht mehr den gleichen Kontakt zu den Pfarreiangehörigen. Als Priester ist die Pfarrei so etwas wie die Familie. In meinen neuen Funktionen komme ich von aussen hinzu, ich komme von aussen und gehe nachher wieder weg ...

Und wie empfinden Sie dies?

Das ist wirklich eine grosse Veränderung, eine ganz andere Perspektive. Unsere Pastoral besteht darin, die Seelsorgemitarbeiter in ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie haben den direkten Kontakt zu den Pfarreinangehörigen, nicht wir. Aber das Zwischenmenschliche bleibt und wir sind immer noch Geistliche.

Welche Eindrücke haben Sie in den ersten sechs Monaten gewonnen?

Ich bin wirklich froh über die Offenheit der Leute. Überall wurde ich gut empfangen. Ich entdecke aber auch die Komplexität unserer Diözese. Wir arbeiten in drei Kantonen, was aus Sicht der Landeskirche, der Synode und der Art und Weise, wie die Pfarreien funktionieren, drei unterschiedliche Systeme bedeutet. Zudem sind wir im Bischofsrat für die gesamte Diözese zuständig. Das sind zehn Kantone und die ganze Komplexität, die dies mit sich bringt. Ausserdem gibt es zwei offizielle Sprachen: Deutsch und Französisch. Auch wenn das Französische die Minderheit darstellt, ist es dennoch wichtig. Es bereichert unser Bistum ungemein. Und da ich eine Liebe zum Französischen hege, freut mich dies natürlich. Nicht zu vergessen: es gibt auch noch andere Sprachgemeinschaften, wie beispielsweise unsere Missionen.

Sie kommen aus Luxemburg. Die Mehrsprachigkeit ist für Sie nichts Neues...

Ja! In Luxemburg spricht man Luxemburgisch, Französisch und auch Deutsch. Es kommt oft vor, dass man einen Satz in der einen Sprache beginnt und dann spontan in eine andere wechselt. Das ist spannend. In einer zweisprachigen Stadt wie Biel fühle ich mich darum ganz zu Hause. Und zudem befindet sich unsere Büros gegenüber vom Bahnhof, ein beliebter und zentraler Treffpunkt. Ja, das Multikulturelle gefällt mir wirklich!

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit in diesem Büro?

Es findet ein fruchtbarer Austausch statt. In der Verwaltung des Bischofsvikariats sind wir zu viert: Frau Edith Rey, Pater Jean Jacques Theurillat, Sekretär Aurelio Citro und ich. Ich arbeite direkt mit Frau Rey zusammen, denn wir teilen uns das Büro, aber natürlich treffe ich mich regelmässig mit Pater Jean Jacques Theurillat.

Wir haben jetzt das Jahr 2020. Welche Herausforderungen stellen sich für unsere Bistumsregion?

Der Mangel an Mitarbeitenden bleibt unser Hauptproblem. Wir haben nicht genügend Priester, Theologen und Theologinnen, und auch an Katechetinnen fehlt es. Das bereitet uns wirklich Sorgen. Und die Kirche muss sich den grossen Fragen unserer Zeit stellen. Das Christentum ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Es gibt grosse Veränderungen, mit denen die Kirche leben und für die sie Lösungen finden muss. Wir müssen Synergien schaffen. Dafür besorgt sein, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Ich bin überzeugt, dass sie auf der Suche nach Sinn und Gewissheit sind. Und wer ausser Kirche oder Glauben könnte diesen Durst stellen? Aber dies muss auf angemessene Weise geschehen.

Wie sollen die Menschen ermutigt werden, den Sinn im Glauben zu suchen?

Jesus sagte zu Petrus: «Komm her und sieh!» Die Kirche kann man nicht erklären. Man muss herkommen und schauen. Und den Geist spüren. Die Kirche aber muss ihrerseits aus der Sakristei heraustreten und die Menschen da treffen, wo sie sich befinden. Das Profil eines Bischofsvikars von heute unterscheidet sich stark von dem von gestern. Wir befinden uns mitten im Leben, im alltäglichen Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen. Ein Geist des Zuhörens und der Zusammenarbeit hat sich entwickelt. Das ist bereichernd. Unsere erste Pflicht ist es denn auch, auf die Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören und gemeinsam mit ihnen Antworten zu suchen.

Bei der französischsprachigen Seite unserer Diözese sind Sie nicht so bekannt ...

Ich versuche, an den offiziellen Feiern im Jura teilzunehmen, was ich übrigens auch schon getan habe. An der Installation von Diakon Patrick Godat in der Vorburgkapelle war ich dabei und ich feierte in diesem Jahr Firmungen im Jura Pastoral. Nach und nach bringe ich immer mehr in Erfahrung!

Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen der Kirche von Luxemburg und der unseren?

In Luxemburg gibt es keine Landeskirche. Es gibt auch eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Und die Art, wie die Kirche gelebt wird, ist ganz anders als in der Schweiz. Hier ist die Kirche lebendiger. Wenn ich in Luxemburg eine Eucharistie feiere, erlebe ich diese Dynamik nicht. Die Kirche in Luxemburg ist ärmer, was für sie eine grosse Herausforderung darstellt, wenn es darum geht, die Seelsorger zu bezahlen. Die wirtschaftliche Dimension sollte nicht ausser Acht gelassen werden...

Was wünschen Sie unserer Kirche und unserem Bistum?

Die Kraft und den Schwung von Pfingsten. Den Mut, hinauszugehen und das Evangelium zu verkünden, denn wir haben eine Gute Nachricht zu verbreiten. Ich bin überzeugt, dass unsere Zeit eine gute Nachricht wirklich braucht, angesichts der vielen schlechten Nachrichten, die uns überfluten und uns Angst machen. Der Glaube ist eine Kraft, die in jeder und jedem von uns wohnt. Es ist an uns, sie zu entdecken und offenzulegen.

 

Hinweis: Übersetzung «pfarrblatt». Die französische Originalversion lesen Sie hier

 


Mehr zum Thema: 
Die etwas anderen Fragen an Georges Schwickerath finden Sie hier: «Zuversichtlich gelassen», aus «pfarrblatt» 4/2020 

 

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