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Doch «Seelsorge»?

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

Ich bin Seelsorgerin von Beruf, angestellt im Inselspital. Ich zweifle nicht daran, dass das eine wichtige und anspruchsvolle und oft auch geschätzte Arbeit ist. Und doch begegnet mir immer wieder einmal die Äusserung von Mitarbeitenden: «Könnt Ihr dem nicht anders sagen und einmal aufhören mit dieser unsäglichen Bezeichnung ‹Seelsorge›?!» – Im Gegenteil, ich hoffe, dass gerade dieses Wort am Leben bleiben kann. Bisher wäre mir auch kein guter Ersatz begegnet. In dieser Hoffnung entdeckte ich beim Stöbern in der Buchhandlung ein kleines Buch: «Die Seele – Versuch einer Reanimation» von Johanna Haberer, Professorin für Theologie und Medien an der Universität Erlangen. Wenn Reanimation angesagt ist, geht es ums Ganze. Haberer macht schon mit dem Eingangsvergleich deutlich, dass es ernst ist.

«Mit der Seele ist es wie mit dem Waldelefanten. Unzählige Bäume und andere Pflanzen des Regenwaldes nutzen diesen kleinen rundohrigen Elefanten als Transporttier für ihre Samen. Der Elefant frisst die Früchte des Waldes und scheidet die unterschiedlichsten Samen wieder aus. So trägt er sie in entfernte Regionen und verbreitet sie überall hin. Auf diese Weise bleibt der Regenwald am Leben. Sterben die Waldelefanten aus, stirbt auch der Regenwald. In den Ökosystemen unserer Sprache macht das Wort Seele nichts anders als der Waldelefant. »

Seele ist ein Wort, das Wesentliches beschreibt, ohne dass man es definieren könnte. Sie ist eine globale Idee. Ja, es gibt ein Wort für sie in allen Sprachen der Welt. Seele meint also das unsichtbare Unbekannte, ohne dass alles Lebendige nichts ist. Sie meint das undefinierbare Etwas, das aus Teilen ein lebendiges Ganzes macht.

In der Theologie stand das Wort Seele immer für die Unverfügbarkeit des eigenen Lebens, stand für das Leben als Gabe und Geschenk. Es könnte daher sein, dass wir gerade dabei sind, unsere Seele zu verkaufen. Dass wir eine Distanz haben zu diesem Wort, hängt meines Erachtens mit Altlasten zusammen, wie es durch die Geschichte hindurch toxisch verstanden worden ist.

Aus jüdisch-christlicher Sicht ist die Seele jedoch ohne Körper undenkbar, erlischt aber nicht mit dem Körper. Sie steht für das Unabgeschlossene, für das Geheimnis jedes Menschen. Diesem Geheimnis Raum zu geben und Menschen zu ermutigen, es offenzuhalten, ihm neu auf die Spur zu kommen, gehört zum Tun der Seelsorge.

Ingrid Zürcher, ref. Seelsorgerin

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