KI hält Einzug in die Kirchen: In Luzern kann man derzeit mit einem KI-Jesus ins Gespräch kommen. Ebenfalls KI-basiert ist «Nikodemus AI», ein Chatbot von ERF-Medien, der Fragen zur Bibel beantwortet. Das «pfarrblatt» hat mit beiden Figuren gesprochen.
Teil 1: KI-Jesus
Sylvia Stam
Beim KI-Jesus in der Peterskapelle in Luzern handelt es sich um eine experimentelle Kunstinstallation. Hinter dem Gitter eines Beichtstuhls befindet sich ein Bildschirm, der auf Knopfdruck aufstartet. Sichtbar wird ein leicht verpixeltes Bild eines weissen Mannes mit Bart und langem, braunem Haar. Wenn man ihm eine Frage stellt, bewegt die Figur die Lippen und eine Stimme antwortet. Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens etwa sagt der KI-Jesus:
«Alles hat seinen Ursprung in mir und ohne mich ist nichts erschaffen worden. Das Leben selbst liegt in mir und es ist das Licht der Menschen. Dieses Licht leuchtet auch in den dunkelsten Momenten. Der Sinn des Lebens findet sich im Erkennen dieser Wahrheit.»
Als Seelsorger programmiert
Die recht allgemein gehaltene Antwort des digitalen Jesus wurde mit künstlicher Intelligenz (KI) generiert. Zugrunde liege das Neue Testament in der Einheitsübersetzung, sagt Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter der Peterskapelle. Er sei ausserdem so programmiert, dass er mit einer seelsorgerlichen Haltung antworte, ergänzt Philipp Haslbauer vom «Immersive Realities Research Lab» der Hochschule Luzern, welche die Kunstinstallation mitverantwortet.
Der KI-Jesus versucht tatsächlich, durch Gegenfragen mit der Besucherin ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage, warum jemand an einer Krankheit leiden muss, entgegnet er: «Die tiefere Wahrheit des Leidens kann oft nur durch den Glauben und die Nähe zu Gott erkannt werden. Auch im grössten Schmerz kann eine tiefe Verbindung zur göttlichen Kraft entstehen», sagt er mit Bezug auf eine biblische Heilungsgeschichte. Und endet mit der Frage: «Wie möchtest du deinen Glauben vertiefen, um in dieser Prüfung Trost und Stärke zu finden?»
Fromm und floskelhaft
Das Wort «Glaube» benutzt der KI-Jesus oft, wodurch seine Antworten fromm und oft floskelhaft wirken. Weil sie aus biblischen Texten zitieren, sind sie bisweilen sehr traditionell. Sexualität ausserhalb der Ehe etwa betrachtet er als Sünde: «Gott wird diejenigen richten, die Unzucht und Ehebruch begehen. Diese Gebote sollen uns helfen, Beziehungen zu pflegen, die auf Vertrauen und Liebe basieren.» Bei kirchenpolitischen Themen ist er toleranter, öfters relativiert er eine Bibelstelle, indem er sie in den zeitgenössischen Kontext stellt. Auf die Frage, warum Frauen nicht Priesterinnen werden können, reagiert er offener als der Vatikan, jedoch auch unverbindlich: «Es gibt immer Raum für Diskussionen über Traditionen und wie sie sich entwickeln können».
«Der KI-Jesus ist eine Maschine, die ihre Grenzen hat», gibt Marco Schmid unumwunden zu. Anliegen der experimentellen Kunstinstallation sei es, «eine konkrete Erfahrung mit KI zu ermöglichen. Denn wir können uns dem nicht entziehen.» Schmid sieht Potenzial für KI in der Seelsorge: «Viele Besucher:innen fühlen sich religiös-spirituell angesprochen», sagt er aufgrund von Rückmeldungen. «Die Maschine urteilt nicht über mich, egal, was für Fragen ich stelle». Entsprechend sollten auch Kirchen sich fragen: «Wie kann KI verantwortungsvoll eingesetzt werden?»
Ausstellung «Deus in Macchina», KI-Jesus im Beichtstuhl. Noch bis am 20. Oktober, Peterskapelle Luzern. Anlass für die experimentelle Kunstinstallation ist das 100-Jahr-Jubiläum der Lukasgesellschaft.
Teil 2 zu Nikodemus AI erscheint am Montag.