Felix Gmür ist gerne Bischof, wie er im Interview sagt. Foto: Christoph Wider

Felix Gmür: «Frauen sind de facto schon Diakoninnen»

Bischof Felix Gmür hofft, dass an der Bischofssynode die Frage des Frauendiakonats geklärt wird.

Am 2. Oktober beginnt in Rom die Weltbischofssynode. Mit dabei: der Basler Bischof Felix Gmür. Er hofft auf dezentrale Lösungen und darauf, dass die Frage des Frauendiakonats geklärt wird.

Interview: Klaus Gasperi, Pfarreiblatt Uri Schwyz, und Veronika Jehle, forum Pfarrblatt Zürich

Welche Erwartungen haben Sie an die Synode in Rom?

Felix Gmür: Ich habe die Erwartung, dass die Kirche merkt: Wir haben den gemeinsamen Auftrag, die Hoffnung von Jesus Christus in diese Welt zu tragen und die Leute zu unterstützen, ein würdiges und gutes Leben zu führen – in Geschwisterlichkeit und Frieden. Dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen. Gleichzeitig hoffe ich, dass es für manche Fragen dezentrale Lösungen gibt. Im Bistum Basel ist es für Theologinnen und Theologen normal, dass sie in einer Eucharistiefeier die Predigt halten können. In anderen Bistümern ist das nicht vorgesehen. Für uns ist das aber wichtig, dass man anerkennt: Es haben nicht alle dieselben Themen.

Es ist schön, dass Sie die Laienpredigt verteidigen. Aber angesichts des «Reformstaus», bräuchten wir da nicht grössere Schritte?

Felix Gmür: Doch, die brauchen wir. Und die grösseren Schritte sind, dass einzelne Regionen manche Fragen selber entscheiden können. Seit dem Konzil gibt es Ständige Diakone, manche Bischofskonferenzen haben das eingeführt, andere nicht. Da hat man also gesehen: Wenn es dem Glauben dient, das ist das Kriterium, dann kann man das machen. Und wer das nicht will, der muss nicht. Das könnte man auch auf die Weihe von Diakoninnen anwenden, dass man unterschiedliche Wege in Einheit mit der ganzen Kirche geht.

Welches Thema wäre da für sie vorrangig?

Felix Gmür: Für mich ist es ganz wichtig, dass die Frage des Diakonats der Frau geklärt wird. Und zwar nicht irgendein Sonderdiakonat nur für Frauen, sondern sie sollen ganz normale Diakoninnen sein, weil sie das de facto oft schon jetzt sind. Ein weiteres Anliegen von mir ist die Dezentralisierung.

Ich möchte Ihnen gerne eine Frage stellen, auf die ich mir ein einfaches «ja» oder «nein» wünsche. Es ist das eine ontologische Frage, also eine, die sich auf das Wesen von Frauen bezieht: Können Frauen sakramental zu Priesterinnen geweiht werden?

Felix Gmür: Ja, wieso nicht? Aber ist die Frage nach der Weihe wirklich eine ontologische?

Es wird in der katholischen Kirche zumindest gerne so argumentiert.

Felix Gmür: Ich bin zurückhaltend mit Wesensbeschreibungen. Es ist problematisch, wenn der Papst sagt, die Frau sei lieblich und freundlich und zärtlich. Vielleicht ist diese Argumentation eine Sackgasse? Die Frage ist die der Gottebenbildlichkeit. Wenn wir sagen, das ist eine Wesensfrage, meinetwegen, aber dann sind wir in der griechischen Philosophie. Es geht nicht um das Wesen der Frau, sondern um das Wesen des Menschen. Und es geht um Christus. Im Evangelium heisst es: Das Wort ist Fleisch geworden (Joh 1,14). Fleisch, also Mensch, nicht nur Mann.

Als Bischof sind Sie Souverän und niemand in ihrem Bistum kann Sie in die Verantwortung nehmen. Wie geht es Ihnen damit?

Felix Gmür: Sie sprechen wie ein juristischer Text, der wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Wie ist denn die Wirklichkeit?

Felix Gmür: Natürlich kann ich theoretisch alles entscheiden – und dann? Am Schluss stünde ich allein da und müsste abdanken. Sie behaupten – und meinetwegen stimmt das auf dem Papier auch – dass der Bischof eine Person ohne Beziehungen wäre. Das ist nicht der Fall. Weder menschlich – der Bischof ist ja auch Mensch – aber auch im Amt stimmt das nicht. Unsere Ordnung ist nicht einfach eine Pyramide, an deren Spitze der Bischof steht, entscheidet und alle machen es dann. Das gilt wenigstens für das Bistum Basel. Auch früher haben Pfarrer schon durchaus gemacht, was sie wollten.

Wie würden Sie Ihren Gestaltungsspielraum als Bischof beschreiben?

Felix Gmür: Mit der Synode haben wir einen Umbau von der Pyramide zum Netzwerk. Der Gestaltungsspielraum des Bischofs ist, dass er sich überall einbringen darf. Natürlich muss er am Ende gewisse Dinge entscheiden. Würde ich aber immer gegen alle entscheiden, würde es nicht funktionieren, weil niemand mitzieht.

Auf der anderen Seite: Jemand muss auch mal eine Entscheidung treffen. Welche Entscheide sehen Sie in Ihrer Möglichkeit und Verantwortung?

Felix Gmür: Meine Entscheide sind auf Ebene Bistum und auf Ebene Personal mit Missio canonica. Meine Entscheidungen sind meist motivatorischer Art, das heisst, ich motiviere die Leute, in einer gewissen Weise zu handeln. Wie gesagt: Meine Macht ist vor allem auf dem Papier, denn ich bin auf die Menschen angewiesen.

Machen Sie es sich da nicht ein bisschen einfach?

Felix Gmür: Im Gegenteil, das ist sogar viel schwieriger. Nehmen Sie Jesus: Er hatte seinen 12er Kreis und ohne den 12er Kreis wäre nichts weitergegangen. Wir sind aufeinander angewiesen, aber einer muss hinstehen, einer muss zusammenfassen, vielleicht eine Richtung vorgeben oder etwas bremsen.

Welches Bild haben Sie von Ihrer eigenen Bischofsrolle?

Felix Gmür: Ich bin gerne mittendrin und manchmal schaue ich von aussen, wie sich die Dinge entwickeln. Manchmal muss ich auch sagen: Nein, hier lang und nicht anders, weil ich es nicht anders verantworten kann. 

Wann haben Sie das letzte Mal «nein» gesagt?

Felix Gmür: Als das Luzerner Kirchenparlament einen Teil der Zahlungen ans Bistum unter Vorbehalt gestellt hat und mit Forderungen verknüpft hat. 

Sie waren mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Was haben diese mit Ihnen gemacht?

Felix Gmür: Mich hat vor allem eines gewundert: Wie schnell man meint, wenn Menschen gehen, würde alles anders. Auch hat mich gewundert – und persönlich verletzt, dass man Menschen weghaben will auf Grund von Vorwürfen, die nicht stimmen. Was mich ein bisschen sauer gemacht hat und noch heute sauer macht: dass Menschen mitreden wollen, die sich wenig mit der Sache auseinandersetzen. Das staatskirchenrechtliche System in der Schweiz ist kompliziert und man muss es erst verstehen, ehe man mitredet.

An welche Vorwürfe denken Sie konkret, die nicht gestimmt hätten?

Felix Gmür: Man hat mir vorgeworfen, ich hätte etwas vertuscht – und das stimmt einfach nicht. Ich habe mich ja selbst angezeigt.

Mögen Sie Ihr Amt als Bischof?

Felix Gmür: Ja, ich bin gerne Bischof, ich wäre aber auch gerne Pfarrer. Ich mag es, mit verschiedenen Menschen zu ringen, zu verhandeln und unterwegs zu sein.

Bischof Joseph Maria hat vor Kurzem von einem Erlebnis mit einem Sterbenden erzählt, das ihn gelassener gemacht hat. Der Kranke hatte zu ihm gesagt: «Sie sind mir zu gescheit, ich brauche einen dicken, alten Kapuziner.» Haben Sie auch so ein pastorales Lernerlebnis?

Felix Gmür: Als ich in Basel Vikar war, wurde ich einmal auf die Intensivstation gerufen. Auf dem Weg dorthin kam mir der reformierte Pfarrer entgegen: «Ah, du musst zu der Familie. Ich habe denen schon eine Art Krankensalbung gespendet, aber ich habe ihnen auch gesagt: ͵Ich kann das gar nicht richtig.´ Da haben die Leute gesagt: ͵Ja, aber Sie sind jetzt da und der liebe Gott macht es dann schon richtig!´» Das ist mir geblieben: Am Schluss weiss ich, dass ich nicht zuständig bin. Am Schluss ist der liebe Gott zuständig und natürlich jeder Einzelne selber. Das relativiert auch die Aufgabe.

Lesen Sie auch Teil 1 des Interviews:

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