Jan van Eyck: Der Genter Altar: singende Engel (Detail), um 1427, Belgien.

Gedanken unserer Kirchenmusiker*innen

Pfarreien Bern-West

Zurzeit fallen Proben und Auftritte mit meinen Anthony Singers aus, ebenso die mit meinen Altersheim-, Kinder- und Gospelchören, meine Orgeleinsätze und Klavierstunden. Das ganze Arbeitsleben, das mich ebenso definiert wie mein privates, ist ausgelöscht.

Das ganze? – Nun, ich betätige mich auch zu Hause für meine Ensembles. Zurzeit arbeite ich an einem Western-Musical für meinen Kinderchor. Für die Anthonys habe ich einen neuen Spiritual registerweise eingesungen und eingespielt, den man sich auf unserer MyDrive-Seite verinnerlichen kann. Für Murten, wo ich an der Orgel die französischen Cultes begleite, habe ich mit der zuständigen Pfarrerin bei der Videoaufnahme eines «Geistergottesdienstes» mitgewirkt: Die Pfarrerin gestaltet im Chor ihre Liturgie, ich spiele zwischendurch Gospelmusik, die Gemeinde kann sich das Ganze auf der Pfarrei-Homepage anschauen.

Viel Zeit kostet mich die Ansicht und Weiterverbreitung der gegenwärtig grassierenden Pandemie-Videos. Die Anthonys gestalten ab und zu auch Gottesdienste mit der MCI. Deshalb wälze ich mich mit dem Gedanken, das italienische Repertoire auszubauen und damit unter dem Namen «Coro-Navirus» aufzutreten. Und als Trost in trüber Zeit: Hören Sie sich an, wie Mozart Himmel und Erde verbindet in seiner Arie «Tu virginum corona» (Tipp: Regula Mühlemann).

Wie fehlen mir und meinen Chorsängerinnen und Chorsängern doch die wöchentlichen Proben! «Ich vermisse das Singen sehr und glaube, dass es allen anderen auch so geht», schreibt ein Chormitglied auf unserem Gruppenchat. Chorsingen ist das Gegenteil von «social distancing»: soziale Nähe, das gemeinschaftliche Erlebnis, zusammen ein Werk einzustudieren und aufzuführen, heraus aus der Kehle zu singen, hinein in die Räume – ohne Hygienemaske, all das dürfen wir im Moment nicht. Stattdessen müssen wir abends alleine zuhause hocken und schauen in die Kiste oder sitzen vor dem PC.

Zum Glück können wir da wenigstens schöne Musik hören, z. B. die Arie «Contessa perdono» aus «Le nozze di Figaro» von W. A. Mozart. Der Graf entschuldigt sich bei der Gräfin für sein Tête-à-Tête mit Susanne. Himmlische Musik! So schlicht, so schön in der scheinbaren Einfachheit, wunderbarste Harmonien, berührend bis tief in die Seele, Musik der wahren Vergebung und Liebe! Wie konnte Mozart nur so etwas komponieren. Göttlich! Atemberaubend! Mozart, ich kann mir die Welt ohne dich nicht vorstellen. Das tut gut!

Und so freue mich auf die Post-Corona-Zeiten. Ich freue mich auf weitere schöne Kirchenmusik, auf das Zusammenwirken von Chorgesang, Instrumentalist*innen, Organist*innen und Solist*innen. Ich hoffe sehr, dass wir an Weihnachten im Mitternachtsgottesdienst die Pastoralmesse von Ignaz Reimann aufführen können. Ihr Melodiereichtum, gepaart mit harmonischer Schönheit, wird uns alle Freude bereiten. So bleibt uns die Zuversicht, dass dieser Spuk dereinst vorbei sein wird. Vielleicht vermissen wir dann sogar gewisse «Errungenschaften» der Corona-Zeit: keine verstopften Strassen, keine Hektik in den Gassen, mehr Platz, weniger Wohlstandsballast, keine Kondensstreifen am Himmel, kein Konsumrausch und weniger soziale Dichte.

Felix Zeller

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