Der göttliche Geist verbindet Innen- und Aussenwelten. Foto: Adobe/fotomek

Gottes Schlüssel

Zu Pfingsten kommt die Heilige Gotteskraft besonders zur Geltung - aber nicht nur dann. Eine theologische Sicht.

Zu Pfingsten kommt die Heilige Geistkraft Gottes besonders zur Geltung – aber nicht nur dann. Die Präsenz und das Wirken Gottes als Geist aus theologischer Sicht.

Von Jonathan Gardy


Ein schöner Frühlingstag im Jahr 2004 irgendwo in Deutschland. Die Kirche war festlich geschmückt und gut gefüllt. Der freundlich lächelnde Weihbischof kam nacheinander zu jedem der pubertierenden Jugendlichen, machte uns mit würzig duftendem Öl ein Kreuz auf die Stirn und sprach feierlich: «Empfange die Gabe Gottes, den Heiligen Geist!» Ich sagte brav Amen, und bald darauf gab es Geschenke. Vom Heiligen Geist habe ich danach lange nichts mehr gehört, glaube ich. Heute dagegen weiss ich: Der Gottesgeist hat eine Schlüsselbedeutung. Die Rede von ihm eröffnet Zugänge zum Ich, zum Anderen, zur Welt und nicht zuletzt zu Gott.

Schlüssel zum Ich

Jeder Glaube ist auf Erfahrung angewiesen. Was ich erlebe, muss ich mit dem, was ich glauben möchte, deuten und verbinden können. Und das nicht nur auf einer ethischen Ebene, sondern auch spirituell. Sonst wird das eigene Bekenntnis hohl; Gebete klingen erst hölzern und dann fremd. Die Alltäglichste aller Erfahrungen ist wohl die, mit sich selbst unterwegs zu sein. Ständig begleiten mich Gefühle, Gedanken und der eigene Körper. Kann man dem theologisch und geistlich etwas abgewinnen? Paulus schreibt: «Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?» (1 Kor 6,19). Im Menschen selbst ist der Geist gegenwärtig, dort kann er ihm begegnen. Ein ungeheurer Gedanke! Und Paulus wird noch konkreter: «Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit» (Gal 5,22f).

Unter den vielen Stimmen meiner Gefühle und Gedanken spricht also auch der Gottesgeist mit. Ignatius von Loyola († 1556), der Gründer des Jesuitenordens, hat die Wirkungen des Geistes auf die Seele lebensnah und differenziert beschrieben. Besonders seine Lehre von der «Unterscheidung der Geister» kann helfen, das Pauluswort ernst zu nehmen und im Umgang mit der oft diskreten Geistesgegenwart zu wachsen. Die hilft auch bei Entscheidungen: Welche von zwei guten Möglichkeiten ist die bessere? Der Geist gibt Rat, und wer die eigenen Empfindungen anschaut und einordnet, kann ihn verstehen. Die Freiheit bleibt dabei gewahrt, ja sie wächst noch. So kann ich die innere Welt der Gefühle und Gedanken neu verstehen als ein Spielfeld, auf dem ich nicht mir selbst überlassen bin. Vielmehr ist da immer ein lebendiger, kritischer, manchmal auch stockender Dialog. Erahne ich den Gottesgeist in mir, dann gerate ich in ein neues Selbstverhältnis.

Schlüssel zum Anderen

Aber natürlich habe ich ihn nicht für mich allein. Der Geist atmet auch in anderen Menschen. Wenn ich das ernst nehme, bekommen Begegnungen einen anderen Klang. Genaues Hinhören lohnt sich, denn möglicherweise folgt das Gegenüber ja gerade einer Inspiration – bewusst oder unbewusst. Ignatius rät, die Aussage eines Anderen nie vorschnell abzulehnen, sondern immer das Wahre in ihr zu suchen, sie zu «retten». Im Dialog wirkt der Geist mit, legt seine losen Spuren hinein und verbindet Innen- und Aussenwelt. Die Begegnung mit anderen Menschen wird zur Glaubenserfahrung.

Schlüssel zur Welt

Der Geist weht, wo er will. Er beschränkt sich weder auf Geistliche noch auf alle Getauften, sondern wirkt in der ganzen Welt. Darum verbietet sich jeder Kulturpessimismus. Vielmehr gilt es, die «Zeichen der Zeit» zu entdecken: Durch sie zeigt Gott den Kirchen und der Welt einen guten Weg.

Schlüssel zu Gott

Der Glaube an den Heiligen Geist lässt Gott weit ins eigene Leben hinein. Nicht ohne Folgen: Das Gewissen wird lauter und drängt dazu, nötige Konflikte auszutragen. Persönliche Prioritäten müssen neu geordnet werden. Was nicht zur Verbundenheit mit Gott passt, wird unwichtig oder störend; anderes gewinnt dafür an Bedeutung. Glauben und konkrete Erfahrung gehen Hand in Hand. Ich nenne das geistliches Leben.

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