Franca Heller in ihrem Atelier im Monbijou-Quartier. Foto: Annalena Müller, kath.ch

«Ich habe eine gewisse Faszination für das Morbide»

Die kulturkatholische Kunst der Berner Künstlerin Franca Heller

Die Berner Künstlerin Franca Heller (55) ist katholisch aufgewachsen. Mit Kirche und Glauben kann sie nichts anfangen. Aber religiöse Motive sind in ihrer Kunst sehr präsent. Eine Begegnung mit Kunst und Kulturkatholizismus.

von Annalena Müller

Franca Hellers Atelier liegt im Berner Monbijou-Quartier. Genauer: In der Sulgeneckstrasse 36. Im Schaufenster stehen verschiedene, kleinformatige Cyanotypie-Bilder. Sie sind in hölzernen Zigarrenkisten gerahmt. Einige haben religiöse Motive. An der Ateliertür steht «OFFEN WENN ICH DA BIN». Darunter eine Handynummer. Ein Anruf führt zu einer Verabredung. Und zu einem Gespräch über Kunst und Religion.

Katholische Kindheit

Hellers Vater war Katholik. Jeden Sonntag besuchte er mit den Kindern den Gottesdienst der Berner Dreifaltigkeitskirche. «Aber gläubig war er nicht», sagt Heller. «Es war einfach etwas, das man machte – in den Gottesdienst gehen». Als Mädchen erlebt sie Kirche als formelhaft. Die Liturgie empfindet sie als distanziert. Vom Weihrauch wird ihr schlecht.

Im Kommunionsunterricht habe der Priester einen der Kommunikanten, «einen dicken italienischen Buben, der sich das Vaterunser nicht merken konnten» vor der Gruppe ausgeschimpft. «Das habe ich nie vergessen». In der Geschichte des italienischen Buben spiegelt sich viel von Hellers Erfahrung von Kirche: Es ist ein bedrohlicher Ort, ohne menschliche Wärme und geprägt von einer Diskrepanz zwischen dem Gepredigten und dem Gelebten.

Bruch mit einer fremdgebliebenen Kirche

Als Jahre später die Missbrauchsfälle und die Vertuschungen bekannt werden, vollzieht die Bernerin den endgültigen Bruch mit der institutionellen Kirche. Sie tritt aus. Sie reist nach Asien und beschäftigt sich mit dem Buddhismus. Die dort im Alltag gelebte Religion ist für Heller stimmiger. Sie erscheint ihr nicht scheinheilig. Im Gegensatz zum Katholizismus.

Religiöse Motive und Père Lachaise

Vor einigen Jahren besucht Franca Heller den berühmten Pariser Friedhof Père Lachaise. Es ist ein kalter, klarer Herbsttag. Heller ist von der ruhigen Ästhetik fasziniert. Sie verbringt fünf Stunden auf dem Friedhof. Sie spaziert an den Gräbern vorbei. Bewundert die aufwendigen Skulpturen. «Die Stimmung war unglaublich. Ich habe einfach nur fotografiert, fotografiert, fotografiert. Ich habe die Zeit vergessen.»

Rückblickend sagt Heller, sei sie erstaunt gewesen, dass sie diese Motive so angesprochen hätten. Gerade weil ihre Beziehung zur katholischen Religion und Kunst lange negativ geprägt war.

Kulturkatholizismus und Kunst

Aus den Fotografien von Père Lachaise stellt Heller mit einer speziellen Fototechnik Bilder her. Sie behandelt Papier oder Leinen mit einer lichtempfindlichen Emulsion. Nachdem dieses trocken ist, legt sie ein Negativ direkt auf die Oberfläche und setzt es Licht aus. Beim anschliessenden Auswaschen mit Wasser erscheint langsam das Bild. Das Verfahren heisst Cyanotypie. Die resultierenden Abdrücke sind blau und haben einen leicht verschwommenen, «mystischen» Ton.

Dieser mystische Ton ist besonders bei den Drucken aus der Père Lachaise-Serie prägnant: Engel, Kreuze, neogotische Fenster. Die verwitterte Ästhetik, welche die Kulturkatholikin Heller so angesprochen hat, ist in ihren Bildern erfahrbar.

Prägend, aber emotional fern

Kulturkatholizismus. Ein Modewort aus dem Feuilleton. Ein Konzept, das versucht Menschen zu beschreiben, die katholisch geprägt aufgewachsen sind. Sie sind daher von der katholischen Kultur geprägt. Aber denen die Religion, im Sinne des Glaubens, fremd ist. In Europa, wo der katholische Glaube auf dem Rückzug ist, sind Kulturkatholiken – sozusagen als natürliche Konsequenz – auf dem Vormarsch.

Menschen wie Franca Heller. Hellers Atelier liegt nur wenige hundert Meter von der Kirche entfernt, die sie als Kind wöchentlich besuchte. Geografisch ist sie der Kirche nah. Emotional jedoch fern. Und trotzdem ist sie in ihrem Leben und in ihrer Kunst präsent.

Franca Hellers Kunst ist in ihrem Atelier in Sulgeneckstrasse 36 und auf ihrer Webseite zu sehen.

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