«Viele Geflüchtete haben das Bedürfnis, über ihre Situation zu reden.» Lara Tischler in ihrem Büro bei der Fasa. Foto: Ruben Sprich

«Ich treffe auf Mitgefühl, Frust und Fragen»

Lara Tischler arbeitet im Fachbereich Migration bei der Fachstelle für Sozialarbeit.

Seit Oktober 2021 kümmert sich Lara Tischler um den Fachbereich Migration der Berner Fachstelle Sozialarbeit. Anliegen von und Projekte für Geflüchtete prägen ihren beruflichen Alltag.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Sie arbeiten seit acht Monaten bei der FASA. Stimmen Ihre Erwartungen mit der Realität überein?

Lara Tischler: Ja, die Arbeit ist vielseitig und bietet Gestaltungsspielraum. Das gefällt mir sehr gut. Ich mache Einzelfallberatungen von abgewiesenen Asylsuchenden, Sensibilisierungsarbeit wie die Aktionswoche gegen Rassismus und bin im Vorstand beim Ökumenischen Mittagstisch und der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers tätig.

Woher stammen die Migrant:innen, die zu Ihnen kommen?

Aus Ländern, in denen Krieg und Konflikte herrschen, oder die Personen aufgrund ihrer politischen Aktivitäten oder Ethnie verfolgen. Aktuell begleiten wir u. a. Menschen aus Äthiopien, Eritrea, Afghanistan, Iran, Tibet und Sri Lanka.

Auch Geflüchtete aus der Ukraine?

Teilweise. Als Fachstelle stehen wir vorrangig Sozialarbeitenden beratend zur Seite und koordinieren uns für verschiedene Hilfsangebote mit anderen Akteuren im Grossraum Bern. Im Rahmen des Ukraine-Hilfspakets der Katholischen Kirche Region Bern unterstützen wir Projekte und realisieren sie mit. Dazu gehört eine Bewerbungswerkstatt, der Aufbau einer ukrainischen Schule sowie die Unterstützung bei psychologischen Angeboten oder der Unterbringung von Familien mit speziellen Bedürfnissen.

Was löst der russische Angriffskrieg bei «Ihren» Migrant:innen aus?

Mitgefühl. Die meisten haben selbst Krieg erlebt und sind traurig über das Leid, das die Menschen in der Ukraine erfahren müssen. Teils werde ich mit einem gewissen Frust und Fragen konfrontiert. Die Geflüchteten, die ich begleite, mussten individuell in einem Asylverfahren darlegen, weshalb sie in der Schweiz Schutz suchen. Sie sagen, sie hätten gerne ebenso unkompliziert und schnell etwas Vergleichbares wie den Status S erhalten. Einige fragen, weshalb ihr Asylgesuch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es zu ihrem Fluchtzeitpunkt in ihrem Teil des Landes keine schweren Kämpfe gegeben habe und sie statt ins Ausland auch innerhalb des Landes hätten fliehen können.

Wie geht die FASA mit ungleichen Bedingungen wie dem Schutzstatus S um?

Für uns ist klar, dass wir die bisherigen Geflüchteten und Armutsbetroffenen nicht aus dem Fokus verlieren möchten. Zugleich wollen wir auch den Menschen aus der Ukraine helfen. Unsere bisherigen Angebote bleiben daher unverändert.

Was sind häufige Anliegen der Personen, die Sie begleiten?

Viele haben einfach das Bedürfnis, über ihre Situation zu reden. Sie leben in Nothilfe mit acht Franken pro Tag in Rückkehrzentren, dürfen nicht arbeiten und keine Ausbildung machen. Häufig gibt es Fragen im Zusammenhang mit Aufenthaltsstatus, Ehe- und Kindesanerkennungsverfahren sowie Spracherwerb. Besonders erfreulich ist, wenn jemand einen Aufenthaltsstatus bekommt, sich sprachlich weiterentwickelt oder in eine Privatunterkunft ziehen kann.

Wie religiös sind die Geflüchteten, mit denen Sie zu tun haben?

Vielen ist ihr Glaube ein wichtiger Anker – in der Heimat, auf der Flucht und hier in der Schweiz. Viele sind in das Gemeindeleben ihrer Religion integriert und nehmen an Gottesdiensten teil.


Was tun Sie am internationalen Flüchtlingstag?

Ich gehe am 18. Juni zum «Cercle de Silence» auf dem Bahnhofplatz Bern, um dort ein Zeichen der Solidarität für und mit abgewiesenen Asylsuchenden zu setzen.
 

Die Berner Fachstelle Sozialarbeit gibt es seit mittlerweile 20 Jahren. Ihr zentrales Anliegen ist die professionelle Unterstützung im Bereich der kirchlichen diakonischen Dienstleistungen. Ihre Angebote und Tätigkeiten: www.kathbern.ch/fasa
Zum Flüchtlingstag (18. Juni) in Bern: www.kathbern.ch/fasa/fluechtlingstag

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