Die grosse Halle der Berner Reitschule wurde zur «Klimahalle». Fotos: Pia Neuenschwander

«Jesus Manser» und «Mother Greta»

Die grosse Halle der Berner Reitschule wurde zur «Klimahalle»

Bunt besprayt sind die Wände der Reitschule ohnehin, an drei Tagen letzte Woche sorgten Jugendliche und junge Erwachsene unter dem Titel «Klimahalle» mit Kunstinstallationen, Workshops, einem Zirkuszelt und Öko-Büffet zusätzlich für ein farbiges, abwechslungsreiches Programm.

Autorin: Hannah Einhaus

Ein aufblasbares Kinderplanschbecken ist gefüllt mit Petflaschen; vollgestopfte Müllsäcke liegen auf dem Boden; überlebensgrosse luftige, bunt beleuchtete Quallen aus hauchdünnem Plastik schnellen von der Decke herab und zurück; an einem Stand tauscht man Kleider, statt sie zu entsorgen; das WEF ist gemäss einem Plakat ein «Shade of Failure», und das Bio-Essen stammt aus der Region. Das Schönste aber ist der Klimabeichtstuhl, bebildert mit Ikonen von «Jesus Manser» und «Mother Greta». Drei Tage oder 72 Stunden lang haben sich junge Erwachsene in der Grossen Halle der Reitschule – sprich «Klimahalle» – mit der aktuellen Umweltdiskussion auseinandergesetzt. Künstlerische Installationen, Workshops, Theater und Konzerte lockten rund 500 Personen in die Reitschule. Eine menschen- und klimagerechte Landwirtschaft kam in den Workshops ebenso zur Sprache wie die Hintergründe über Pestizide in der Schweiz. Klimagerechtigkeit ist laut den Aktivist*innen auch eine Frage der Demokratisierung und der Geschlechtergerechtigkeit. Eine der Organisator* innen hielt im Vorfeld fest, dass der Wunsch nach ewigem Wachstum im Kapitalismus unvereinbar sei mit der Überwindung der Klimakrise und dem Streben nach Gerechtigkeit.

Rassismus bei der Entsorgung

Was Plastikmüll mit Rassimus zu tun hat, diskutierten die Berufsschullehrerin Linda Owzar und die Ethnologin Sherin Attoun vom Verein Diversum in ihrem Workshop. Sie fragten in die Runde, wieweit sich Rassismus auch in der Klimabewegung bemerkbar mache und welche kolonialen Muster in der Klimapolitik zu beobachten seien. Linda Owzar zeigte auf, dass auffallend viele «weisse» Jugendliche freitags auf die Strasse an die Klimademonstrationen gehen. Das liege zum einen daran, dass es sich vorwiegend um Gymnasiast*innen handelt. Sie seien nicht in die Arbeitswelt eingespannt. Ausserdem wäre es beispielsweise für Asylsuchende oder Sans-Papiers ein enormes Risiko, auf die Strasse zu gehen. Wiederum hätten viele keine andere Wahl, als motorisiert zur Arbeit zu fahren. Alltagsrassismus herrsche überall, ergänzte Sherin Attoun, auch unbewusst bei Personen, die man gemeinhin nicht als rassistisch einordnen würde.

Viele Aspekte seien gesellschaftlich-kulturell bedingt und teilweise ein Resultat der kolonialen Geschichte. Wer legt die Normen fest, was sauber ist? Ein Projekt in Indonesien, wonach eine Projektleitung aus Europa mit Einheimischen Plastik an einem Strand einsammelte, bewertete Sherin Attoun als eine Form von Bevormundung, auch wenn es vielleicht gut gemeint gewesen sei. Als Folge des Kolonialismus kann auch europäischer Elektroschrott auf afrikanischen Müllhalden in Afrika bezeichnet werden. Ein eindrücklicher Kurzfilm zeigte auf, wie Europa die Entwicklungsländer als Entsorgungshof benutzt.

20 000 Aktive in der Schweiz

Die «Klimahalle» war Bestandteil der in der ganzen Schweiz stattfindenden Aktion «72 Stunden » mit Freiwilligenarbeit für nachhaltige Entwicklung, ein Projekt der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV). Laut SAJV realisierten rund 20 000 Jugendliche und Kinder in diesen drei Tagen in der ganzen Schweiz etwa 350 Projekte. Unterstützt wurde die «Klimahalle» nicht nur von der Stadt Bern, dem Jugendparlament und einer Reihe von Klima- und Jugendorganisationen, sondern auch von der Katholischen Kirche Region Bern. Andrea Meier von der Fachstelle Kinder & Jugend stellte zudem die Verbindung zu den Organisator*innen her und war für die Aktivist*innen vor Ort, wenn Not am Mann oder der Frau war.

 

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