Joaquin Phoenix, ausgezeichnet mit einem Oscar als bester Schauspieler 2019. Ausgezeichnet wurde er an den 92. «Academy Awards» in Hollywood, Los Angeles. Foto: Reuters/Lucas Jackson

Joaquin Phoenix hält an Oscar-Verleihung Predigt

«Wir plündern die Natur aus und stehlen Kühen ihre Kälber»

Joaquin Phoenix, der in der Oscarnacht in Los Angeles für seine Darstellung des «Joker» zum bestem Schauspieler ausgezeichnet wurde, widmete seine Rede der Erörterung aktueller Themen, etwa dem Kampf für die Umwelt, Tierrechte und ja - Vergebung. Wir dokumentieren hier die vollständige Rede.

Der Oscar ist der wichtigste US-amerikanische Filmpreis. Die diesjährige Verleihung fand am 9. Februar in Hollywood, Los Angeles, statt. Im Vorfeld gab es massive Kritik an den Nominierungen. Der Grund: Regisseurinnen fanden sich keine in der engeren Auswahl und viele afroamerikanische Schauspielerinnen wurden übergangen. Die Details der Verleihung können Sie beispielsweise   auf «Spiegel online» nachlesen.

Es gab zwei filmhistorisch bedeutsame Momente am Oscarabend. In der Kategorie bester Film gewann die südkoreanische Gesellschaftssatire «Parasite». Es ist das erste Mal, dass ein nicht englischsprachiger Film die Königskategorie gewann. Ein Zeichen dafür, dass die rund 8500 Personen zählende Akademie, welche über die Prämierung bestimmt, in ihrer Zusammensetzung offenbar immer diverser wird.

Beste Schauspielerin wurde Renée Zellweger, bester Schauspieler Joaquin Phoenix. Dieser gewann den Oscar für seine Darstellung des berühmten Bösewichts «Joker» im gleichnamigen Film. Anstatt den Filmemachern und Schauspielkolleg*innen zu danken, wie das normalerweise getan wird, widmete er seine Rede der Erörterung aktueller Themen, etwa dem Kampf für die Umwelt und der Vergebung. Phoenix gilt als unbequemer Charakter, der sich immer wieder politisch und selbstkritisch äussert. Er ist Veganer. Am Schluss seiner Rede erinnerte er an seinen Bruder, den früh verstorbenen Schauspieler River Phoenix.

Die vollständige Oscar-Rede von Joaquin Phoenix:

«Ich bin im Moment so dankbar. Und ich fühle mich nicht über einen meiner Mitbewerber oder irgendjemanden in diesem Raum erhaben, weil wir die gleiche Liebe, nämlich die Liebe zum Film teilen. Diese Form des künstlerischen Ausdrucks hat mir ein überaus aussergewöhnliches Leben ermöglicht. Ich weiss nicht, was ich ohne das wäre. Ich denke aber, das grösste Geschenk, das es mir und vielen von uns in diesem Raum gegeben hat, ist die Gelegenheit, unsere Stimme für die Stimmlosen zu nutzen.

Ich habe viel über einige der beunruhigenden Probleme nachgedacht, denen wir gemeinsam gegenübersehen. Und ich denke, wir haben manchmal das Gefühl oder werden dazu gebracht, die Dinge ganz unterschiedlich zu beurteilen. Ich jedoch sehe Gemeinsamkeiten. Ganz gleich, ob wir nun über die Ungleichheit der Geschlechter, oder Rassismus oder Rechte Homosexueller, oder Rechte indigener Völker, oder Tierrechte sprechen, es geht immer um den Kampf gegen Ungerechtigkeit.

Es geht darum die Ansichten zu bekämpfen Nationen, Menschen, Ethnien, ein Geschlecht oder eine Art hätten das Recht, ungestraft andere zu beherrschen, zu kontrollieren und zu gebrauchen und auszunutzen.

Ich denke, wir haben uns sehr von der natürlichen Welt abgekoppelt, und viele von uns ... wir sind schuldig, eine egozentrische Weltanschauung zu haben – wir glauben, dass wir das Zentrum des Universums sind. Wir gehen in die Natur und wir plündern ihre Ressourcen aus.

Wir fühlen uns wie selbstverständlich berechtigt, eine Kuh künstlich zu besamen und wenn sie geboren hat, stehlen wir ihr Baby, obwohl ihre qualvollen Schreie unüberhörbar sind. Und dann nehmen wir ihre Milch, die eigentlich für ihr Kalb bestimmt ist und wir geben sie in unseren Kaffee und unser Müsli.

Ich glaube, wir fürchten uns davon Veränderungen anzugehen, weil wir das Gefühl haben, etwas opfern zu müssen, etwas aufzugeben. Aber wir Menschen sind, wenn wir nur wollen, so erfinderisch und kreativ und genial. Und Ich denke, wenn wir Liebe und Mitgefühl zu unseren Leitprinzipien machen, können wir Möglichkeiten der Veränderung entwickeln, kreieren und umsetzen, welche allen empfindsamen Lebewesen und der Umwelt zugute kommen.

Nun, in meinem Leben war ich oftmals ein Schuft. Ich war egoistisch. Ich war manchmal grausam. Mit mir ist schwer zu arbeiten. Ich bin darum dankbar, dass so viele von euch in diesem Raum mir eine zweite Chance gegeben haben. Ich denke, wir sind als Menschen dann am besten, wenn wir uns gegenseitig unterstützen, nicht wenn wir uns wegen Fehler aus der Vergangenheit blockieren, sondern wenn wir uns gegenseitig helfen zu wachsen, wenn wir voneinander lernen, wenn wir uns gegenseitig Richtung Erlösung führen. Das ist die höchste Form des Menschlichen.

Als er 17 war, hat mein Bruder diesen Text geschrieben: ‹Renne mit Liebe zur Rettung, und Friede wird folgen.› Vielen Dank.»

Andreas Krummenacher

 

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