Glasfenster in St. Josef Gstaad. Foto: Brigitte Grundisch

Josef, der Gerechte!

Zum Josefstag am 19. März

Weihnachten, das ist für uns Maria und ihr Kindlein Jesus. Josef kommt - wenn überhaupt - als naiver, betrogener und fast bemitleidenswerter alter Mann am Rande vor. Dies leiten wir aus dem Lukasevangelium ab. In der Kindheitsgeschichte des Matthäus begegnet uns jedoch ein starker, tatkräftiger und «moderner» Vater Josef.

von Stephan Kaisser

In unseren Krippendarstellungen ist Josef der Mann im Hintergrund. Hauptfiguren sind Jesus und seine Mutter Maria. So entspricht es dem Lukasevangelium, in dem Josef nur am Rande als Verlobter Marias auftritt und es im Stammbaum Jesu lapidar heisst: «Er galt als Sohn Josefs» (Lukas 3,23). Maria hingegen ist die Prophetin und Mutter des Messias, die vom Engel Gabriel berufen wird. Josef nur der stille, kaum beachtete Begleiter, der gar nicht wirklich Vater Jesu ist.

Josef, der Weg zu Jesus

Ein ganz anderes Bild von Josef vermittelt uns der Evangelist Matthäus in seiner Kindheitsgeschichte. Erzählt wird aus dem Blickwinkel des Josef, hier ist eher Maria die Randfigur. So wird hier auch im Stammbaum Jesu eine Verbindung von Josef über König David bis zu Abraham beschrieben. Die Vorgeschichte der Geburt Jesu («die Weisen aus dem Morgenland») ist wichtig, sie soll aufzeigen, welche Bedeutung Jesus hat. Die Geburt an sich erwähnt Matthäus nur kurz in einem knappen Satz: «Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes.» (Matthäus 1,18).

Josef zeigt für den Evangelisten Matthäus den Weg zu Jesus, auch wir sollen Jesus so wahrnehmen und annehmen, wie es Josef tat. Bei ihm spricht der Engel zu Josef (nicht zu Maria) und verkündet diesem die Geburt und zugleich die Bedeutung Jesu: «Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. (Matthäus 1,20f).

Auch den Aufruf zur Flucht und später zur Niederlassung in Nazareth empfängt Josef durch den Engel (wir kennen meist nur Darstellungen von Maria mit dem Engel Gabriel). Wie sein alttestamentlicher Namensvetter, Josef der Sohn Jakobs und Rahels, kann er aus den Träumen das rechte Handeln ableiten und wird so zum «Gerechten». 

Josef, der Gerechte

Gerechtigkeit ist im Alten Testament ein zentraler Begriff, der als Tugend den Urvätern, wie Noah und Abraham, Königen wie Salomon und sogar Gott selbst zugeschrieben wird. Mit diesen Personen wird deutlich, dass Gerechtigkeit dort geschieht, wo sie zu gelingenden Beziehungen beiträgt. Wo sie konkretes, heilsames Handeln bewirkt, da wird von einem gerechten Menschen gesprochen, so auch bei Josef, der so handelt, dass er Maria nicht des Ehebruchs anklagt, sondern zu sich nimmt. «Biblische Gerechtigkeit ist nicht nur eine Norm, sondern auch und mehr noch eine solidarische Praxis, eine Parteinahme für die, denen zum Recht verholfen werden muss.» (Jürgen Ebach, in Bibel und Kirche 1/2015) 

Josef hört, Josef glaubt, Josef handelt

Josef ist zunächst offen für das Wort Gottes. Das ist die Grundvoraussetzung für einen Propheten. Er hört die Botschaft Gottes im Traum. Er ist ganz offen für Gott, sodass Gott ihn aus seinem Innersten heraus ansprechen kann. Er spürt Gottes Willen in sich. Viermal wird im Mätthausevangelium (Kapitel 1 und 2) vom träumenden Josef gesprochen, der hört, was ihm von Gott gesagt wird. «Hört her! Wenn ich Propheten zu euch sende, offenbare ich mich ihnen in Visionen und spreche zu ihnen in Träumen» (Numeri 12,6), so sagt es Gott zu Miriam und Aaron, den Geschwistern des Moses. Josef glaubt diesen Offenbarungen. Glauben heisst weit mehr als nur «für wahr halten».

Glauben heisst sein Vertrauen in jemanden, in diesem Fall in Gott, zu setzen. Glauben heisst, dass ich mein Tun, sogar mein ganzes Sein, in Gott begründet weiss. Josef ist deswegen eine starke, gefestigte Persönlichkeit, weil er sich von Gott gehalten weiss und so nach seinem Willen handelt. Josef handelt entsprechend dem Gehörten und Geglaubten. Er ist ein Mann der Tat. Nicht Worte werden von Josef überliefert, sondern es heisst: «Josef wachte auf und tat, was der Engel Gottes ihm befohlen hatte.» (Matthäus 1,24) In seinem Tun zeigt sich: Die Gerechtigkeit findet ihre Verwirklichung im Handeln.

Josef, ein Vorbild für Jesus und uns

So ist Josef, der Gerechte, für Jesus ein grosses Vorbild gewesen und Voraussetzung für seine vollkommene Gerechtigkeit. Ich stelle mir Josef als einen liebevollen Vater vor, der seinem Sohn Jesus das Bauhandwerk lehrte (Josef wird im Matthäusevangelium als Teknon = Bauhandwerker erwähnt). Er schuf die Grundlage dafür, dass Jesus Gott als Abba, als liebevollen Papa im Himmel bezeichnen konnte. Jesus, der «neue Mann», wie er vom deutschen Journalisten und Theologen Franz Alt genannt wurde, hat in seiner Stärke gepaart mit Einfühlsamkeit, seiner Gerechtigkeit gepaart mit Barmherzigkeit bestimmt viel gelernt von Josef. Ein Mann, der feinfühlig und offen ist, der achtsam ist gegenüber sich und seiner Mitwelt, einer der sich einbringt und handelt, wo es nötig ist, der sich aber auch zurücknehmen kann; kein Held, aber doch einer, der zuverlässig den Alltag meistert und durch sein Vorbildsein erzieht und lehrt. Ein Mann, der auch heutigen Vätern ein Vorbild sein kann. 

Mit den Worten des Neutestamentlers und Bischofs Wilhelm Egger möchte ich schlies­sen: «Die Kindheitsgeschichte Jesu ist eine grosse Führungsgeschichte … Josef wird durch Gott zur Mitarbeit an dieser Führungsgeschichte berufen. Er begleitet das Kind und Maria. Er ist kein Mann des Wortes, sondern ein Mann des Hörens und des Tuns. So wird er zum Vorbild für uns: Durch das Hören auf die Stimme Gottes (trotz der vielen Stimmen, die auf uns von innen und aussen eindringen) und durch die Entschlusskraft, das Gehörte zu vollbringen. Der heilige Josef wirkt durch sein Schweigen auf uns.»   

Der hebräische Name «Josef» kann mit «Gott hat hinzugefügt» übersetzt werden. Biblisch steht er in der zweiten Reihe, bei Lukas wird er 25 Mal erwähnt, 17 Mal bei Matthäus und es gibt zwei Hinweise bei Johannes, nichts bei Markus. 

Frühe Darstellungen zeigen Josef als alten Mann mit weissem Bart. Diese Vorstellung eines Betagten geht auf einen Umstand zurück: Er soll vor seiner Ehe mit Maria schon einmal verheiratet gewesen sein. Die christliche Ikonografie macht ihn vor diesem Hintergrund somit eher zum Grossvater Jesu. Erstaunlich ist, dass sich etwa ab dem 17. Jahrhundert das Bild des Josef auch in der Kunst ändert: jünger, vitaler, als Handwerker kräftig zupackend, mit alltäglichen Szenen der Heiligen Familie. Zwar auch mit Bart, aber nicht mehr Grau in Grau. Es war im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht zuletzt das österreichische Kaiserhaus, das die Verehrung des Josef gefördert hat – als Identifikationsfigur für gottesfürchtige Männer.  

Erstpublikation im Kirchenblatt für römisch-katholische Pfarreien im Kanton Solothurn
 

Lesen Sie zum Thema auch: Josef, Rückendeckung in Köniz

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.