Damals wie heute: Fusswaschung – Hoffnung – Dankbarkeit. Foto: Rune Enstad, unsplash.com

Karwoche und Corona

Das Coronavirus lässt die Bibel anders lesen, die Karwoche anders erleben. Gedanken aus dem Pastoralraum Emmental

Eigentlich wollte ich für diese Ausgabe über die Karwoche schreiben, aus der Sicht einer Frau, die die Ereignisse damals miterlebt hat. Wissen kann ich das natürlich nicht genau, aber mir ausmalen, wie es hätte sein können: Der Jubel an Palmsonntag, als Jesus in Jerusalem einzieht, das Abendmahl mit seinen Freunden, die lange, beängstigende Nacht bis zu seiner Auslieferung, das Verzagen der Jünger, sein Prozess, die Kreuzigung bis hin zu dem unfassbaren Wunder der Auferstehung für uns alle.

In Zeiten des Coronavirus lässt sich diese biblische Geschichte auch anders lesen. Das Jubeln fällt uns leicht, wenn wir gesund und sorgenfrei leben können. Wir nehmen dann oftmals wenig Rücksicht auf Mitmenschen oder Natur. Die Dinge scheinen weit weg zu passieren und berühren unseren Alltag wenig bis gar nicht. Wir gehen unseren Freizeitaktivitäten sorglos nach. Solidarität hat nicht oberste Priorität. Und dann kommt so ein kleines, für das Auge unsichtbares Etwas und stellt die Welt auf den Kopf. Unser Leben ändert sich radikal. Grenzen haben keine Bedeutung mehr. Plötzlich sind Regierende ganz kleinlaut. Jetzt heisst es, nicht zu verzagen – wie Petrus.

Wenn ich von der Fusswaschung lese, dieser demütigen Geste an den Jüngern, muss ich an alle Ärzt*innen, Pfleger*innen, Kassierer*innen, Bestatter*innen denken, die gerade bis zur totalen Erschöpfung arbeiten und ihre eigene Gesundheit hintanstellen, um uns zu versorgen. Die Angst, die Jesus in der Nacht hatte, zeigt unsere Angst vor der Unberechenbarkeit dieser unheimlichen Krankheit, die über die gesamte Welt hereinbricht und vor niemandem haltmacht. Der Tod am Kreuz und der unerträgliche Schmerz, der sich ausbreitet, ermahnt mich, an diejenigen zu denken, die Angehörige verloren haben und sich nicht einmal verabschieden können. Die Bilder der Militärfahrzeuge in Italien, die die Toten abtransportieren, kriege ich nicht aus dem Kopf. Und dennoch siegt die Hoffnung, dass alles gut wird.

Aus Angst wird Mut, aus Egoismus wird Solidarität, aus Tod wird neues Leben. Die Menschen stehen zusammen, helfen sich, werden kreativ, um ihr soziales Miteinander zu gestalten. Die Balkonkonzerte rühren mich sehr. All diese Ereignisse und Gefühle, die uns jetzt verbinden, hat Jesus auch erlebt und uns für diese harten Zeiten vorgelebt. Ich bekomme über die sozialen Netzwerke zahlreiche Anregungen für Gebete und Zeichen des gemeinschaftlichen Zusammenhalts. Nicht alles kann und will ich umsetzen. Aber dadurch werde ich daran erinnert, dass wir die Hoffnung leben und weitergeben können, die uns Jesus geschenkt hat. So wie es in Psalm 23 heisst: «Ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir.»

Anne Keuser, Pastoralraum Emmental

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