Literatur zu Migration und Integration steht im Zentrum der Veranstaltungsreihe «Leselust». Die Schauspielerin Noëmi Gradwohl liest Auszüge aus autobiografisch gefärbten Texten, Fachpersonen aus NGO's ordnen das Gehörte ein.
von Sabine Jaggi, Koordinatorin «Leselust»
Ein kleines Dorf im westafrikanischen Guinea-Conakry: Hier wird 1994 Ibrahima geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters lastet die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister und seine kranke Mutter auf seinen Schultern. Er versucht in der Provinzhauptstadt Geld für seine Familie zu verdienen. Dort erreicht ihn die Nachricht, dass sein jüngerer Bruder Alhassane verschwunden ist – Richtung Europa. Ibrahima bricht auf, um ihn zu finden und wieder nach Hause zu bringen. Eine lange und beschwerliche Odyssee nimmt ihren Lauf.
Seine Suche führt den jugendlichen Ibrahima durch Wüsten, Gebirge und Städte. Er gerät in die Hände von Menschenhändler:innen, versucht sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten, leidet Hunger und Durst, erlebt Solidarität und Gewalt – und strandet schliesslich in Europa. Dort erzählt er seine Lebensgeschichte einem Freund, der sich in der Flüchtlingsbetreuung engagiert. Dieser Freund heisst Amets Arzallus und ist ein bekannter baskischer Bertsolari-Sänger. Er hat Ibrahimas Geschichte in seiner authentischen, poetischen Sprache zu Papier gebracht. So ist das eindrückliche Buch «Kleiner Bruder – Die Geschichte meiner Suche» entstanden.
«Kleiner Bruder – Die Geschichte meiner Suche» ist der Schwerpunkt der «Leselust»-Veranstaltungsreihe 2023. Drei Anlässe finden zum Buch und den darin aufgegriffenen Themen statt, in Langnau (16. Mai), in Kandersteg (8. Juni) und im freiburgischen Schmitten (14. Juni). An diesen Abenden liest die Schauspielerin Noëmi Gradwohl Auszüge aus dem autobiografisch gefärbten Text. Im anschliessenden Gespräch ordnet Eva Ostendarp als Fachperson von SOS Méditerranée Ibrahimas Erlebnisse ein und berichtet über die Geschehnisse an Europas Aussengrenzen. Musik und Gespräche beim anschliessend offerierten Apéro runden die Veranstaltungen ab.
Weitere Akzente: Ohrfeigen, Integration und allerlei Leckerbissen
«Leselust» macht am 22. Mai auch in der Gemeindebibliothek Ostermundigen Halt mit dem Roman «Ohrfeige» des Exil-Irakers Abbas Khider. In «Ohrfeige» geht es um Flucht, Integration und Ohnmacht – mit der notwendigen Prise Ironie. Die Schauspielerin Noëmi Gradwohl liest Szenen aus dem authentischen und witzigen Roman. Den Bogen zur schweizerischen Realität schlägt die anschliessende Gesprächsrunde mit Farhad Haji, Gründer und Geschäftsführer der IntegrationsBrücke Bern, und Gabriele Krebs, Sozialarbeiterin der Gemeinde Ostermundigen. Die beiden tauschen sich über die Herausforderungen und Chancen von Integration aus. Nochmals eine andere Ausrichtung hat der «Leselust»-Anlass in der Bibliothek Ins: Am 15. Juni werden literarische, musikalische und kulinarische «Leckerbissen» serviert. Noëmi Gradwohl liest Stellen aus den Romanen «Wo auch immer ihr seid» (Khuê Pham), «Kains Opfer» (Alfred Bodenheimer) und «Kleiner Bruder – Die Geschichte meiner Suche» (Ibrahima Balde/Amets Arzallus). Dazu gibt es Erläuterungen zu den drei Büchern und Musik.
Die «Leselust-Tournee 2023» macht von Mitte Mai bis Mitte Juni Halt in Langnau (16. Mai), Ostermundigen (22. Mai), Kandersteg (8. Juni), Schmitten (14. Juni) und Ins (15. Juni). Infoflyer und Leporello mit 16 Romanen zu Migration, Integration und Religion. Bestellungen Veranstaltungsflyer und Leporellos: leselust@refbejuso.ch
«Leselust» wird getragen vom Arbeitskreis Religion Migration, welchem die Fachstelle Kirche im Dialog der Katholischen Kirche Region Bern, die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und die Christkatholische Landeskirche Bern angehören.
