Online-Beratung ergänzt die Therapie vor Ort, ersetzt sie aber nicht ganz.
Foto: Chris Montgomery, unsplash.com

Krisenberatung im eigenen Wohnzimmer

Einzel -und Paarberatung via PC? Die Corona-Krise hat Chancen der Online-Therapie gezeigt.

Maya Abt Riesen ist seit 28 Jahren als Einzel-, Paar- und Familientherapeutin tätig. Online-Therapie und Beratung per Video stösst mittlerweile im englischsprachigen Raum auf hohe Akzeptanz. Im deutschsprachigen Raum hat sie sich noch nicht durchgesetzt. In der Corona-Krise haben sich ihre Chancen auch hier gezeigt.


Von Maya Abt Riesen, Fachstelle Ehe, Partnerschaft, Familie


In den letzten Jahren wurden interessante Erfahrungsberichte zu Online-Angeboten in der Psycho- und in der Paartherapie publiziert. Der Grundtenor war stets positiv. Als wenig technikaffine Person bin ich diesen Entwicklungen eher skeptisch begegnet. Während der Corona-Pandemie wurde ich herausgefordert, mich mit den Online-Möglichkeiten von Beratung auseinanderzusetzen. Anstelle von Beratungen vor Ort hatten meine Klient*innen nun die Wahl zwischen Beratungen per Telefon, E-Mail oder Videositzung. Paare und Einzelpersonen reagierten auf das Angebot der Online-Beratung äusserst unterschiedlich. Einige wurden von den technischen Herausforderungen abgeschreckt – ein neues Programm auf dem PC zu installieren oder eine App auf das Handy zu laden, liegt nicht allen. Während manche Telefonberatungen sehr schätzten, liessen sich andere neugierig auf Online-Beratungen ein.

Zu Beginn des Lockdown sah ich in Videoberatungen ausschliesslich Paare und Einzelpersonen, die ich bereits kannte. Ich war überrascht, wie gut die Mimik und Gestik dieser mir bekannten Gesprächspartner*innen über den Bildschirm zu sehen waren. Beeindruckt hat mich, dass auch Emotionen über den Bildschirm deutlich wahrgenommen werden können. Zu den Vorteilen der Online-Beratung gehörte, dass der Anfahrtsweg entfiel, sich Termine flexibler finden liessen und die Kinderbetreuung oftmals einfacher zu organisieren war. Paare erlebten zudem in ihren eigenen vier Wänden, dass sie auch in schwierigen Momenten handlungsfähig sind und wieder aufeinander zugehen können.

Während der Corona-Pandemie meldeten sich auch zunehmend neue Paare für Online-Beratungen an. Bei diesen mir noch unbekannten Menschen zeigten sich für mich deutliche Qualitätsunterschiede zu den Beratungen vor Ort. Wir arbeiten intensiv mit den Emotionen, die sich im Raum zeigen. Das sind oftmals feine, kaum wahrnehmbare Regungen, die wir ansprechen und spiegeln. Während bei einer Person in Videoschaltung kleine Regungen gut zu sehen sind, verpasst man bei einem Paar einen Teil der nonverbalen Kommunikation.

Seit Ende April arbeite ich wieder live auf der Beratungsstelle. Ich bin froh, die Menschen vor Ort zu sehen und die vielschichtigen Emotionen im Raum zu haben. Für mein Verständnis kann ich unterstützungssuchenden Menschen in dieser Form bedeutend gerechter werden. Doch ich weiss jetzt auch, welche Chancen Videoberatungen bieten können, und ich gehe gerne darauf ein. Gerade Paare mit Kindern fragen jetzt vermehrt nach Online-Beratung. Das ermöglicht, dass Paare Termine in kürzeren Abständen wahrnehmen können und so besser in ihrem Prozess bleiben. Für alle ergänzen diese Videoberatungen den persönlichen Austausch vor Ort. Ein Klient meinte dazu: «Ich war extrem froh für die Beratungsgespräche per Video. Aber ich freue mich sehr darauf, Sie wieder live zu sehen und nicht mehr wie die Tagesschausprecherin im Fernsehen.»

 

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