Solidarität in Zeiten von Corona. Foto: Pia Neuenschwander

Solidarität – ein Gebot der Stunde

Robert Zemp sieht in der Solidarität eine positive Seite der Coronakrise

Wenn Sie heute das «pfarrblatt» lesen, ist schon wieder vieles nicht mehr so wie vor Kurzem, als dieser kleine Bericht verfasst wurde. Wir wissen es, das Coronavirus hat inzwischen die ganze Welt erfasst, verbreitet sich schnell und ist schon bald überall. Die Ansteckungsgefahr ist ausserordentlich hoch, auch in der Schweiz, auch im Kanton Bern.

Von Robert Zemp

Die Medien informieren uns beinahe stündlich über die neusten Zahlen der Ansteckung und der Todesfälle, die dieses unheimliche Virus weltweit verursacht. Innerhalb einer Woche verdreifachte sich gemäss offizieller Statistik des Bundesamtes für Gesundheit die Zahl der Infizierten von 3000 auf beinahe 9000 Personen in der Schweiz, Stand heute, am 24. März. Zu beklagen sind 87 Tote. Ein Ende ist noch nicht abzusehen, die Ungewissheit bleibt, auch bei uns.

Gelebte Solidarität

Diese Tatsachen mit ihren nackten Zahlen, vermittelt über Radio, Bildschirme und gedruckte Medien, betreffen uns alle. Die überwältigende Reaktion der Solidarität, wie sie während der letzten Wochen und Tage zunehmend zu beobachten ist, überrascht, beeindruckt und berührt mich sehr. Mir wird einmal mehr bewusst, dass Menschlichkeit in bestimmten Situationen wie selbstverständlich zu unserem Menschsein gehört, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Konfession. Junge bilden Netzwerke, um für ältere Menschen Einkäufe zu tätigen, Facebook-Gruppen organisieren Freiwillige, die per Flugblatt an Risikogruppen gelangen und ihnen Unterstützung anbieten. Ein Netzwerk der Solidarität breitet sich allmählich aus, geknüpft und getragen von Institutionen und vielen Freiwilligen.

Auch die Kirchen suchen nach neuen Formen des Austauschs mit den Gläubigen. Die reformierte Kirchgemeinde Langenthal zum Beispiel versucht mit Videobotschaften mit den Gläubigen in Kontakt zu treten. Das Pfarrteam, die Sozialdiakonie wie die Katechetik sind nun gefordert, wie sich Pfarrerin Sabine Müller in der «Berner Zeitung» vom 23. März äusserte.

Menschlichkeit ist nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern hat, wie sich besonders jetzt zeigt, auch sehr viel mit Vernunft zu tun. Erst sie ermöglicht eine weise Voraussicht, um das Richtige zu tun. Wie sonst würden wir unserer obersten Behörde, dem Bundesrat, dieses ungeteilte Vertrauen entgegenbringen, wenn er die Situation in der Schweiz am 16. März gemäss Epidemiegesetz als ausserordentliche Lage einstuft und zum Schutz der Bevölkerung entsprechende Massnahmen verordnet. Massnahmen, die von Fachleuten dem Bundesrat empfohlen werden. Er und wir vertrauen diesen Menschen, ihrem Fachwissen, ihrer Erfahrung und Kompetenz. Die Massnahmen treffen uns ungewohnt hart, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Kurzfristig ist Menschlichkeit gefordert. Wir dürfen auf die Bereitschaft zur Solidarität vertrauen, woher sie auch kommen mag.

Mehr als ein Gebot

Solidarische Menschen sind beherzte Menschen. Sie müssen nicht, sie wollen einen Einsatz leisten. Nicht weil irgendeine autoritäre Instanz dies verlangt, sondern weil die Sachlage es erfordert. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sich in diesen Tagen Hunderte von Freiwilligen für den Spitaldienst melden, Überstunden leisten und dies unter erschwerten Bedingungen. Gelebte Diakonie als Gebot der Stunde.

Umso peinlicher berührt es mich als Katholik, wenn ich unter kath.ch lesen muss, dass in diesen Tagen die Churer Bistumsleitung den allseits beliebten und geachteten Generalvikar der Urschweiz, Martin Kopp, drei Monate vor seiner Pensionierung absetzt, nur weil er sich kritisch äusserte. Klerikales Denken und Handeln einer kirchlichen Obrigkeit hat nun – hier und jetzt – in der aktuellen gesellschaftlichen Notsituation absolut keinen Platz mehr. Es würde diesen Kreisen besser anstehen, sich den tatsächlichen Problemen in der gegenwärtigen Krisenzeit anzunehmen, als sich um den Erhalt klerikaler Machtstrukturen zu kümmern. Einmal mehr steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

In den vergangenen Tagen durfte ich immer wieder gelebter Mitmenschlichkeit begegnen. Einmal mehr konnte ich erfahren, dass in einem solidarischen Miteinander die religiöse Überzeugung, das Geschlecht, das Alter oder die politische Haltung keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch das, was die Menschen verbindet. Ich bin Teil dieser solidarischen Gemeinschaft. Dafür bin ich dankbar.

 

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