Spiritualität: Kampf und Kontemplation

José Balmer erzählt von seinem Glauben

In unserer Familie beteten wir; in der Ordensgemeinschaft übte ich mich in der Meditation. Ist das Spiritualität? Jesus zog sich in die Stille zurück, ja sogar in die Wüste. Dann aber trat er mutig an die Öffentlichkeit und predigte, mal mit menschlicher Sanftmut, mal mit heiligem Zorn. Trotz seines Ernstes war er nicht verbissen. Er freute sich am Leben, hatte Sinn für die Naturschönheiten und ass und trank mit Sündern und Frauen, was die Religionsführer ihm übel nahmen. Später lebten die Mönchsgemeinschaften nach dem Motto «Bete und arbeite!» Moderne Mystiker formulierten das christliche Ideal mit dem Wortpaar «Kampf und Kontemplation». Das heisst: Ein Christ, eine Christin sollte sich in das Vertrauen einüben und den Gleichmut haben, als ob Gott alles selber gut machen würde. Gleichzeitig sollte ein Christ, eine Christin sich vehement für Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen, in der Überzeugung: Gott hat keine Hände, keine Füsse, keinen Mund, nur meine Hände, meine Füsse, meinen Mund. Ein Widerspruch? Eher die Vereinigung der Gegensätze, die das Leben und die Suche nach Gott mit sich bringen. Um diese Spannung auszuhalten, bedarf es mentaler Kraft. Meditation, Gebet und Feiern können sie vermitteln. Aber Ernstfall und Ziel der Spiritualität ist das Engagement. Die Flucht in die Innerlichkeit ist gewiss nicht christlich. Und gar nichts mit Spiritualität zu tun haben Übungen, die darauf abzielen, gestresste Machtmenschen für ihr Machtstreben wieder fit zu machen.

 

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