Im Jahr 1862 steht Irland immer noch unter dem langen Schatten der Grossen Hungersnot.
Das ganze Land wird von der Hoffnung auf ein Wunder genährt und findet dieses in einem Dorf in den Midlands. Hier lebt die elfjährige Anna, die seit vier Monaten nichts gegessen hat und offenbar «nur vom Himmel lebt». Beauftragt von den Ortsvorsitzenden reist die englische Krankenschwester Lib Wright an, um im Turnus mit einer Nonne das Mädchen zu beobachten. Während sich Anna und ihre Familie voll und ganz auf ihren Glauben stützen, wird Lib das Gefühl nicht los, einem Schwindel zu erliegen. Doch die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Emma Donoghue und den wahren Fällen der sogenannten Fastenmädchen des viktorianischen Zeitalters. Daraus hat der chilenische Regisseur Sebastián Lelio eine beunruhigende Geschichte geschaffen. Diese spielt nicht nur mit verschiedenen Genres, sondern immer wieder auch mit den Überzeugungen des Publikums. Dieses wird direkt angesprochen und ist somit Teil der Handlung, soll alles hinterfragen und nicht einfach so hinnehmen.
Überragend in diesem zudem atemberaubend schön fotografierten Film ist Florence Pugh. Als Lib bringt sie die Zärtlichkeit und den Weltschmerz von jemandem ein, der schreckliche Dinge gesehen und einen grossen Verlust erlitten hat. «The Wonder» ist eine verstörende, traumartige Abhandlung über die Kraft des Glaubens aber auch dessen zerstörende Wirkung, über Verlust, Sünde und Erlösung.
Sarah Stutte, Filmjournalistin
«The Wonder», UK 2022.
Regie: Sebastián Lelio.
Besetzung: Florence Pugh, Kíla Lord Cassidy, Elaine Cassidy, Verleih: Netflix
