Felicitas Nanzer war 43 Jahre lang Sekretärin in der
Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern. Foto: Pia Neuenschwander

Von Schnapsmatrizen, Goldvreneli und einer Ohrfeige

Felicitas Nanzer geht nach 43 Jahren als Pfarreisekretärin in Pension

Tausende Menschen hat Felicitas Nanzer in der Pfarrei Dreifaltigkeit in Bern empfangen. Hunderte Geschichten weiss sie darüber zu erzählen. Nach 43 Jahren als Pfarreisekretärin geht sie im Sommer in Pension.

Sylvia Stam

«Die nächsten paar Jahre werde ich diese Treppe jeden Tag hochgehen», dachte Felicitas Nanzer nicht ohne Stolz, als sie am 1. August 1981 ihre Stelle antrat. Sie war Pfarreisekretärin und Katechetin in der Pfarrei Dreifaltigkeit. «Damals war das Pfarrhaus noch etwas Spezielles», sagt sie 43 Jahre später kurz vor ihrer Pensionierung.

An ihrem ersten Arbeitstag fand die damals 21-Jährige ein Büchergestell voller Plastiksäcke vor. «Darin waren Ehedokumente, Taufscheine, Einladungen für den Religionsunterricht – die ganze Korrespondenz der Pfarrei!» Sie habe Monate gebraucht, um Ordnung in diese Dokumente zu bringen und sie nach Jahrgängen sortiert in Ordnern abzulegen.

Die Pfarrei zum Blühen gebracht

Unter Pfarrer Johann Stadler, ihrem ersten Chef, war es noch vergleichsweise ruhig. Sein Nachfolger Franz Kuhn sei hingegen ein «Chrampfer» gewesen. Er veranstaltete Reisen ins Ausland, Vortragsreihen zu aktuellen Themen, lud Referenten wie Paul Zulehner ein. Auf diese Weise habe er die Pfarrei «aus dem Dornröschenschlaf geweckt», erzählt Felicitas Nanzer. Die Organisation all dieser Ereignisse oblag ihr. Kein Wunder, bekam sie in diesen Jahren oft zu hören, sie sehe müde aus.

Einen Schalter zum Schutz der Pfarreisekretärin gab es anfänglich nicht. Dabei klingelten bisweilen illustre Leute an der Pfarrhaustür. Nanzer erinnert sich an einen randständigen Mann, dessen Erscheinung ihr beim Öffnen der Tür einen solchen Schreck einjagte, dass sie dachte: «Jetzt weiss ich, wie der Teufel aussieht!»

Unvergessen bleibt ihr auch die schallende Ohrfeige, die ihr eine Frau verpasste, die sich als Pfarrköchin bewerben wollte. Dabei war diese Stelle gar nicht ausgeschrieben.

Unterrichtsblätter bei Loeb kopieren

Felicitas Nanzer sprudelt, wenn sie erzählt. Von FastenopferSäcklein, die sie zusammen mit anderen stundenlang ausgepackt hätte. Zum Vorschein kamen einmal ein paar Goldvreneli, ein andermal mehrere Tausendernoten. Dieses Bargeld – bis zu 30000 Franken – brachte sie in den ersten Jahren persönlich in einem Papiersack auf die Post. Von der Kugelkopf-Schreibmaschine, die ihr schon 1981 zur Verfügung stand – «ein Luxus», wie sie noch heute schwärmt. Dokumente vervielfältigte sie mit der Schnapsmatrize, später gabs im Loeb einen Kopierer, wo sie etwa die Unterrichtsblätter für den Herrn Vikar vervielfältigte. Es folgten Fax und schliesslich Computer mit E-Mail.

Zwar hätten die technischen Fortschritte ihre Arbeit erleichtert, doch bedauert sie, dass dadurch der persönliche Kontakt zu den Menschen abgenommen habe. Denn genau die Begegnungen gefielen Felicitas Nanzer, die auch Lehrlinge ausgebildet und Ausbildungskurse für Pfarreisekretärinnen mitgestaltet hat, am meisten. «Schön, dass du noch da bist», bekam sie öfters zu hören, da manchen Menschen die Konstanz bei den Mitarbeitenden gefehlt habe.

Mit Stolz erfüllt sie, dass ihre Handschrift «auf ewige Zeiten» in den Archivbüchern der Pfarrei eingetragen ist. Denn Tauf-, Ehe- und Totenbücher würden bis heute auf speziellem Archivpapier von Hand geführt.

«Es brauchte mich immer wieder»

Hat sie in all den Jahren nie daran gedacht, eine andere Stelle zu suchen? «Doch», sagt sie ganz selbstverständlich. «Aber es brauchte mich immer wieder.» Und irgendwann sei es zu spät gewesen. Auf die Zeit nach der Pensionierung freut sich Felicitas Nanzer, hat sie sich doch bereits in Berlin und in Salzburg für Chorprojekte angemeldet. Denn «meine Zukunft ist singend», sagt die Sopranistin lachend.

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