Vreni Peterer ist Präsidentin der Betroffenenorganisation IG-MikU. Am 1. Oktober lädt die Organisation zu einem Podium ein. «Wir leisten unseren Anteil im Aufarbeitungsprozess», so Peterer.
Annalena Müller
pfarrblatt: Frau Peterer, was hat sich in dem Jahr seit Veröffentlichung der Missbrauchsstudie getan?
Vreni Peterer: Seither haben sich bei der IG-MikU viele Betroffene gemeldet. Sie wollten vor allem eines: Erzählen, was ihnen angetan wurde, wie das Geschehene ihr Leben geprägt hat, und wie enttäuscht sie von Verantwortlichen der Katholischen Kirche Schweiz sind.
Warum enttäuscht?
Peterer: Das Wort, das ich von Betroffenen und Nicht-Betroffenen immer wieder höre, ist «unglaubwürdig». Die Menschen wollen endlich sichtbare Zeichen sehen, dass die Katholische Kirche wirklich etwas tut. Zum Beispiel die versprochene unabhängige Anlaufstelle. Ich weiss, dass unter der Leitung von Stefan Loppacher daran gearbeitet wird. Es ist zu hoffen, dass die Stelle – wie versprochen – anfangs 2025 steht. Traurig stimmt mich, dass es einzelne Betroffene gibt, die juristische Unterstützung benötigen, um endlich Gerechtigkeit zu erfahren. Das sind Fälle, bei denen Aussage gegen Aussage steht.
Machen die Bistümer also immer noch nicht genug?
Peterer: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich finde, die Bistümer müssen sich diese Frage selbst stellen und auch beantworten im Sinne von: «Machen wir wirklich genug? Oder wäre noch mehr möglich?»
Die IG-MikU organisiert Anfang Oktober ein grosses Podium zum Thema Missbrauch. Warum müssen Betroffene das strukturierte Informieren selbst gewährleisten?
Peterer: Wir müssen nicht, wir machen das von uns aus! Die IG-MikU fordert nicht nur, wir leisten auch einen Anteil im Aufarbeitungsprozess. Die Struktur des Abends widerspiegelt die Fragen von Betroffenen, die uns immer wieder gestellt werden. Es geht hier also um konkrete Hilfe, im Sinne von Beantwortung wiederkehrender Fragen. Deswegen kann man sich auch online via Zoom dazu schalten.
Was sind das für Fragen, die Sie immer wieder hören?
Peterer: Was passiert, wenn ich mich bei einem kirchlichen Fachgremium melde? Wie kann mich die Opferhilfe unterstützen? Wie funktioniert Prävention? Wie arbeitet das Forschungsteam? Wie ist der Stand der geplanten unabhängigen Anlaufstelle? Wer steht hinter der Deutschschweizer Betroffenenorganisation «IG-MikU».
Warum haben Sie Chur als Ort gewählt?
Peterer: In den vergangenen zehn Monaten ist medienmässig sehr viel gelaufen. Wir wissen, die Berichterstattungen haben einiges bei Betroffenen ausgelöst. Wir wollen sie in diesem Prozess auffangen. Chur ist der erste Ort, an dem wir einen Informationsanlass durchführen, aber es wird wohl nicht der einzige bleiben.
Was ist das Ziel des Podiums und an wen richtet es sich?
Peterer: Wir möchten für einmal nicht via Webseiten oder Medien informieren, sondern dem Ganzen ein Gesicht geben. Der Anlass richtet sich an Jedermann und Frau. Betroffene und Nichtbetroffene, an alle am Thema Interessierte aus allen Bistümern und Kantonen. Der Inhalt der Veranstaltung ist nicht spezifisch auf das Bistum Chur ausgerichtet. Personen, die nicht vor Ort am Anlass teilnehmen können oder wollen, können sich per Zoom zuschalten.
Missbrauch in der Kirche – wir informieren
1. Oktober 2024, 19 Uhr bis 20.30 Uhr
Kinocenter, Saal 2, Theaterweg 11, Chur
Podiumsgäste:
Angelica Venzin, Präsidentin des Fachgremiums Bistum Chur
Michael Thöni von der Opferhilfe Kanton Graubünden
Dolores Waser Balmer, neue Präventionsverantwortliche des Bistums Chur
Magda Kaspar vom Forschungsteam der Missbrauchsstudie
Stefan Loppacher, Leiter zur Schaffung der unabhängigen Anlaufstelle
Vreni Peterer, Präsidentin der IG-MikU
Gesprächsleitung: Léa Burger, Fachjournalistin Religion SRF
Keine Anmeldung erforderlich
Teilnahme via Zoom möglich
Der Link kann angefordert werden bei: info@missbrauch-kirche.ch