Silvia Siegrist von «Christian Climate Action» an der Klima-Demo vor dem Bundeshaus in Bern. Foto: Raphael Rauch

Warum Christen auf dem Bundesplatz streiken

Interview mit Silvia Siegrist von der «Christian Climate Action»

Klima-Streik in Bern: Die Polizei räumt den Bundesplatz. Mit dabei: die «Christian Climate Action». Warum zwölf Christen von Kirche zu Kirche ziehen, weiss die Software-Entwicklerin Silvia Siegrist (25).*

Raphael Rauch, kath.ch

Warum haben Sie den Bundesplatz blockiert?

Silvia Siegrist: Es wird Zeit, dass wir die Klimafrage wieder ins Zentrum der politischen Diskussion rücken. Es geht um unsere Schöpfung. Corona hat in den letzten Monaten alles dominiert. Jetzt muss die Klimafrage wieder wichtiger werden.

Was war der Beitrag der «Christian Climate Action»?

Wir sind in Bern in einer Gruppe von Kirche zu Kirche gezogen. Wir hatten einen grossen Banner: «Creation cries out», die ganze Schöpfung schreit.

Haben Sie auch gebetet?

Natürlich. Es gab auch Schweigeminuten und Gebete. In der katholischen Marienkirche gab es eine kurze Predigt, Zeit zur Stille und ein Gebet. Kein liturgisches Gebet, sondern ein freies Gebet. Insgesamt waren wir zwölf Leute.

Fast schon biblisch…

Es könnten ruhig mehr sein. Es gibt so viele Christen. Da sind zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher mickrig.

Was genau ist christlich an Ihrem Klima-Engagement?

«Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.» Dieser Satz prägt uns Christen und hat sehr viel mit der Klimakrise zu tun. Wir leben auf Kosten anderer. Es gibt Menschen, die wegen des Klimawandels keine Lebensgrundlage haben. Das ist ein wichtiges Thema für die Kirche. Leider geht es oft vergessen. Die Folgen des Klimawandels scheinen weit weg. Und viele sind überfordert und wissen nicht genau, was sie tun können.

Wie integrieren Sie Ihr Klima-Engagement in Ihren Glauben?

Ich bin reformiert, gehe aber zurzeit in die methodistische Kirche in Zürich im Kreis 4. Dort ist das soziale Engagement sehr wichtig. Viele Menschen mit Fluchterfahrung sind Teil der Gemeinde. Das zeigt: Die Klimakrise betrifft auch uns.

Zelte gehören zur Blockade des Bundesplatzes. Können Sie gut schlafen?

Ich habe nicht im Zelt geschlafen. Von Sonntag bis Montag war ich in der Reithalle und danach in einem Haus. Sonst bekomme ich zu wenig Schlaf. Das Demonstrieren braucht viel Energie, daher habe ich mir ein Bett gegönnt.

Fürchten Sie die Konfrontation mit der Polizei?

Nein, ich war schon öfter bei Demos und Besetzungen dabei. Die Polizei in Bern war bislang anständig. Hoffentlich bleibt sie es.


Das Interview hat kath.ch am Dienstagabend in Bern geführt. In der Nacht hat die Polizei begonnen, den Bundesplatz zu räumen. Am Mittwochmorgen folgt ein Telefonat mit Silvia Siegrist.

Wie beurteilen Sie die Räumung?

Siegrist: Ich bin enttäuscht von der Regierung, dass unsere friedliche Gemeinschaft auf dem Bundesplatz geräumt wurde. Wir haben die Stadt und die Session nicht gestört, sondern über die Forderungen für eine klimagerechte Welt ernsthaft diskutiert.

Rechtsstaat ist Rechtsstaat.

Unser Protest ist legitim, weil wir uns für unseren Planeten einsetzen. Ihm droht sonst die Zerstörung.

Sie haben nicht auf dem Bundesplatz übernachtet. Wie geht es Ihren Kolleginnen und Kollegen?

Manche wurden festgenommen. Ich hoffe, es geht ihnen gut und sie sind bald wieder frei. Wir lassen uns nicht entmutigen durch diese Räumung. Wir werden weiterhin kreative Wege finden, auf die Klimakrise hinzuweisen.


*Silvia Siegrist (25) lebt in Zürich. Sie arbeitet als Software-Entwicklerin und beginnt nun ein Psychologie-Studium. Mit dem Zürcher Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist ist sie nicht verwandt – das zeigt das «e» in ihrem Namen. Silvia Siegrist sagt: «Wir von der Christian Climate Action hatten mit Christoph Sigrist Kontakt, aber noch keinen Event mit ihm.»

 

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