Erika Felter (75) braucht Unterstützung beim Aufstehen, Waschen und Anziehen. Ihr Ehemann Harry Felter (72) hilft ihr dabei. Für diese Grundpflege erhält er einen Lohn von Caritas.
Sylvia Stam. Fotos: Manuela Matt
Harry Felter zieht den Rollstuhl, in dem seine Frau Erika Felter sitzt, behutsam aus der Nische. Er beugt sich zu ihren Füssen, löst die Klettverschlüsse ihrer Sandalen und zieht sie ihr aus. Mit sicheren Handgriffen löst er die Fussstützen vom Rollstuhl, sodass die Füsse seiner Frau nun in der Luft baumeln. Auch die Brille nimmt er ihr ab. «Falls wir stürzen, geht sie nicht kaputt», erklärt er.
Erika Felter hat Gleichgewichtsstörungen, sie kann nur wenige Minuten stehen, dann wird ihr schwindlig. Seit vier Jahren benutze sie «je länger, je mehr» den Rollstuhl, sagt ihr Mann, der seine Ehefrau in der Zweizimmer-Alterswohnung in Lachen SZ pflegt. Für die Grundpflege, wie sie auch von der Spitex verrichtet werden könnte, bezieht er einen Stundenlohn von Fr. 35.– von Caritas. Grundpflege bedeutet beispielsweise, dass er seine Frau, wie beim Besuch der Journalistin, für einen Mittagsschlaf ins Bett bringt.
Fast wie ein Tanz
Im Schlafzimmer angekommen, stellt er den Rollstuhl an die Wand. Mit geübten Griffen hilft er seiner Frau, sich aus dem Rollstuhl zu erheben. «Da hebe, füre luege» – er gibt ihr kurze Anweisungen, damit der Transfer zum Bett optimal gelingt. «Wir haben eine Spezialtechnik», erklärt er schmunzelnd: Als sie steht, legt sie die Arme um seine Schultern, er fasst sie um die Taille, und für einen Moment sieht es aus, als würden sie tanzen. Langsam dreht sich Harry Felter mit seiner Frau um 90 Grad, bis sie mit dem Rücken zum Bett steht und sich hinsetzen kann. «Losla, absitze.» Ihre Bewegungen sind so ruhig wie seine Anweisungen, fast harmonisch, die beiden sind offen- sichtlich ein eingespieltes Team.
«Er ist ein guter Pfleger», sagt Erika Felter denn auch. «Man fügt sich hinein», entgegnet er auf die Frage, wie der Rollenwechsel vom Ehemann zum Pfleger für ihn sei. «Sonst müsste sie ins Altersheim» – er zeigt auf das grosse Gebäude auf demselben Gelände –, «das kann ich ihr nicht antun.» Die beiden sind seit 45 Jahren verheiratet.
Der Aufwand sei für ihn nicht so gross, sagt er bescheiden und zählt dann auf, wie der Tagesablauf aussieht: Am Morgen nimmt er seine Frau auf, wechselt den Beutel für den Katheter, geht mit ihr zur Toilette, wäscht sie, hilft ihr beim Zähneputzen und zieht sie an. Bis sie angezogen im Rollstuhl sitzt, dauere es rund 40 Minuten.
Er bereitet das Frühstück, schneidet es bei Bedarf in mundgerechte Stücke, weil ihr das Schneiden zunehmend schwerer fällt. Er macht Bein- und Arm-Übungen mit ihr, «damit sie nicht einrostet». Dann ist es schon bald Zeit, das Mittagessen vorzubereiten.
Caritas als Arbeitgeber
Seit Anfang dieses Jahres bekommt Harry Felter für die Grundpflege einen Lohn (siehe Kasten). «Caritas ist mein Arbeitgeber», erklärt er. Er wusste von diesem Angebot, wurde aber durch eine Sendung im «Kassensturz» nochmals darauf aufmerksam. «Warum nicht?», dachte er sich, zumal Caritas nicht gewinnorientiert sei.
Einen Kurs besuchen musste der gelernte Koch für diese Tätigkeiten nicht. Obschon er dazu gern bereit wäre, aber «ich kann sie nicht so lange allein lassen», sagt Harry Felter. Wie man mit Demenzkranken umgeht, würde er gern lernen.
Seine Frau vergesse, dass das Aufstehen für sie gefährlich werden könne. Wenn er nicht da sei, probiere sie es und dann sei die Gefahr gross, dass sie stürze. Für seine eigenen Hobbys, etwa eine Bootsfahrt zum Fischen mit einem Freund auf dem Zürichsee, hat er daher nur frühmorgens Zeit, wenn sie noch schläft.
Eine Stunde mehr
Harry Felter führt zuhanden der Krankenkasse über seine Dienstleistungen Buch. «Haare gewaschen. Alles gut gegangen», schrieb er am Vortag in den Rapport. Für die einzelnen Leistungen steht ihm ein Zeitbudget zur Verfügung: 15 Minuten für die Haarwäsche, 5 für die Zahnpflege, 15 für einen nächtlichen Gang aufs WC. Pro Tag werden ihm zwei Stunden und sieben Minuten ausbezahlt. Die Zeit sei wohl für Patient:innen ohne Demenz berechnet, meint er. «Mit den Anweisungen dauert es länger. Ich fange quasi jeden Tag von vorne an, weil sie es wieder vergessen hat.» Dadurch braucht er rund eine Stunde mehr. «Aber ich kann nicht hetzen, sonst ist es meiner Frau nicht angemessen.»
Einmal pro Monat schaut eine Bezugsperson von Caritas vorbei und schaut, «was ich mache und ob ich alles richtig mache», sagt Harry Felter und lacht. Er ist dennoch froh um diese Begleitung. Für die Druckstellen an den Fersen, die von der Fussstütze des Rollstuhls kommen, habe sie beispielsweise Fersenschoner aus Lammfell empfohlen.
Nach dem Mittagsschlaf holt Harry Felter seine Frau aus dem Bett und macht sie bereit für einen Zvieri im Café der Alterssiedlung. Als sie draussen sind, zeigt Erika Felter auf das Altersheim nebenan, das über ein Restaurant verfügt. «Wenn mein Mann einmal nicht mehr kochen mag, gehen wir dort essen», sagt sie. «Wenn wir nicht mehr kauen mögen», korrigiert er sie lachend und schiebt den Rollstuhl zum nahen Teich, der in der Sonne glitzert.
Lohn für pflegende Familienmitglieder
Pflegende Angehörige werden von Caritas zu einem Stundenlohn von 35 Franken inklusive Sozialversicherungen angestellt. Ausserdem unterstützt Caritas die Pflegenden bei ihren Tätigkeiten und beim Erstellen des Pflegeplans. Voraussetzung für die Anstellung und Entschädigung sind Tätigkeiten in der Grundpflege. Dazu gehört die Hilfe bei der Körperpflege, Duschen und Baden, An- und Auskleiden, bei der Mobilisation oder beim Umlagern. Diese Leistungen müssen ärztlich verordnet sein, sie werden über die Krankenkasse der gepflegten Person abgerechnet. Caritas organisiert zusammen mit dem SRK regelmässige Bildungsveranstaltungen für die pflegenden Angehörigen. Das Angebot von Caritas gibt es in den Kantonen der Zentralschweiz und neu auch im Kanton Bern.
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