Die Kirche finanziert mit: Kinder bekommen gezielte Unterstützung beim Lernen - Foto: Learn4Life

Chancengleichheit für Kinder

Berufsintegration beginnt bei Kindern - ein neuer Standort für Learn4Life in Ostermundigen

Weil Jugendliche besonders unter der Corona-Pandemie litten, fördert die Katholische Kirche Region Bern mit ihrem Bärner Härz nun gezielt deren Berufsintegration. Das beginnt mit Lernhilfe für Schülerinnen und Schüler. Learn4Life kann nach Köniz nun auch einen Standort in Ostermundigen eröffnen.

Karl Johannes Rechsteiner

Während der Pandemie engagierte sich die Katholische Kirche Region Bern mit einer „Corona-Million“ für besonders betroffene Mitmenschen. Es ergab sich eine intensive Zusammenarbeit mit über 20 sozialen Institutionen von der Gassenarbeit über Nahrungsmittelhilfe bis zur Telefonberatung. Bei der Auswertung dieser Nothilfe-Projekte wurde sichtbar, dass durch die Pandemie besonders Jugendliche benachteiligt wurden. Nicht nur Freizeitangebote mit Gleichaltrigen wurden eingeschränkt, sondern vor allem auch Berufswahl und Ausbildung litten unter den Folgen der Lockdowns, Schulschliessungen und E-Learning. Deshalb entschieden sich der Kleine und der Grosse Kirchenrat dafür, die Berufsintegration junger Leute in den kommenden Jahren zu fördern. Als erste Partnerschaft wurde die Zusammenarbeit mit Learn4Life verstärkt: Die gemeinnützige Lernhilfe-Organisation kann dank dieser Unterstützung 2023 im Pfarreizentrum Guthirt einen weiteren Standort für Kinder in Ostermundigen aufbauen.

"Unser Ziel ist es, zur Chancengleichheit der Kinder beizutragen", erklärt Stefan Stuck, Geschäftsleiter von Learn4Life, die Ziele seiner Organisation. Im eigenen Zentrum in Köniz besuchen wöchentlich rund 320 Kinder die Lern-Angebote. Ihnen ist gemeinsam, dass sie Defizite in einem oder mehreren Schulfächern haben, die sie aufarbeiten wollen. Learn4Life unterstützt sie dabei durch individuelle Lernförderung in Kleingruppen. Von Mathematik bis Französisch.

Etwa zwei von drei Mädchen und Buben bei Learn4Life sind ausländischer Herkunft. Sie tun sich schwer mit der Sprache oder erhalten wenig Unterstützung von ihren Eltern. Diesen sind Sprache und Gepflogenheiten in der Schweiz fremd, oder sie haben selbst kaum eine Bildung genossen. Aber auch Kinder ohne Migrationshintergrund geraten in schulische Schwierigkeiten und sind froh um die Unterstützung durch Learn4Life und seine günstigen Lektionen.

Unter den vielen Schüler:innen in Köniz befinden sich etwa 40 aus Ostermundigen. Deshalb stellt die dortige Pfarrei Guthirt nun die Räume für ein lokales Angebot ab 2023 zur Verfügung, finanziert durchs Bärner Härz. Gemeindeleiterin Edith Zingg freut sich: "So wird sozial Schwächeren geholfen, um den Anschluss in der Schule zu finden." Häufig fehlt es diesen Kindern nur an Motivation und Selbstvertrauen, oder falsche Lernmethoden stehen dem Erfolg im Weg. Oft braucht es wenig, damit die Mädchen und Buben aus ersten Erfolgen Mut schöpfen.

Selbstständigkeit lernen

Die dreiköpfigen Lerngruppen sind bewusst uneinheitlich zusammengesetzt. Mädchen und Buben, Ältere und Jüngere arbeiten an unterschiedlichen Themen. "Weil sich die Lehrperson nicht die ganze Zeit um ein Kind kümmern kann, lernt dieses selbständiges Denken und Arbeiten", sagt Stefan Stuck. Weil ein rauchendes Hirn nicht aufnahmefähig ist, gibt es regelmässige Pausen mit Guetzli, Sirup und Töggelikasten.

Über 40 Lehrpersonen arbeiten bei Learn4Life mit. Die meisten von ihnen sind Studierende der Pädagogischen Hochschule Bern, die ihr Budget aufbessern und gleichzeitig Lehrerfahrung sammeln. Sie werden nach einem ungewöhnlichen Verfahren ausgewählt: Nach einem Vorstellungsgespräch und einem schriftlichen Test absolvieren sie mehrere Probelektionen und werden dabei von der strengsten Jury beurteilt: von den Kindern selbst.

Katholische Unterstützung

Angefangen hat Learn4Life vor bald 20 Jahren als Angebot des Cevi Köniz. Immer wieder kamen Kinder zu den Leiter:innen mit der Bitte, ihnen bei den Schulaufgaben zu helfen. Zwei Studenten gründeten darum die Cevi-Lernhilfe. Am Samstagvormittag wurde gelernt, am Nachmittag standen Spiel und Spass im Cevi auf dem Stundenplan. Die Nachfrage wuchs schnell. Seit gut zehn Jahren heisst die Organisation Learn4Life, die sich heute als religiös neutrale Non-Profit-Organisation versteht. "Unsere Werte sind aber nach wie vor christlich geprägt", betont Stuck.

Geblieben ist der Grundsatz, dass die Lernhilfe für alle Familien erschwinglich sein soll. Bescheidene 350 Franken kosten 20 Lektionen; gewinnorientierte Anbieter verrechnen schnell einmal das Dreifache. Damit die Lernhilfe für niemanden am Geld scheitert, übernimmt in Köniz bei Sozialhilfe-Beziehenden der Sozialdienst einen grossen Teil der Kosten. Immer wieder greift die katholische Kirche der Organisation unter die Arme. In den ersten Jahren stellte sie Räume zur Verfügung, heute unterstützt sie Familien, um deren Kindern die Lernhilfe zu ermöglichen.

Auch wenn die Lehrpersonen einen bescheidenen Lohn erhalten und kein Gewinn erwirtschaftet wird, kalkuliert Learn4Life knapp. Stuck selbst, immerhin Jurist und ausgebildeter Berufspädagoge, ist allein in der Geschäftsleitung. "An einem anderen Ort würde ich das Doppelte verdienen", sagt er. "Weil ich aber von der Tätigkeit überzeugt bin, spielt das Gehalt eine Nebenrolle." Auch sonst wird jeder Rappen umgedreht. Seinen Schreibtisch hat Stuck selber gezimmert, die Tische der Kinder wurden gebraucht von einer anderen Schule übernommen.

Lernhilfe via Internet

Mit der Corona-Pandemie sahen sich die öffentlichen Schulen gezwungen, über Nacht ein E-Learning-System aufzubauen. Doch gerade Kinder aus ohnehin benachteiligten Kreisen blieben auf der Strecke. Oft fehlte zu Hause ein brauchbarer Computer oder ein Internetanschluss.

Learn4Life ging einen anderen Weg. Bei der E-Lernhilfe ist die gesamte Ausrüstung inklusive: ein iPad samt Tastatur und Eingabestift wird leihweise abgegeben, auch ein Internetabo ist dabei. Möglich machten dies einerseits das Entgegenkommen der Unternehmen, andererseits ein Beitrag von gut 15'000 Franken aus dem Fonds für diakonische und pastorale Projekte der Katholischen Kirche Region Bern; sie hat die Kosten für das Zubehör der iPads übernommen.

E-Lernhilfe hat die Reichweite von Learn4Life erweitert. Es spielt nun keine Rolle mehr, von wo aus ein Kind an den Lektionen teilnimmt. Auch der neue Standort Ostermundigen ist für Stefan Stuck wichtig: "Das kann noch mehr Kindern helfen, die Tür zu ihrer Zukunft aufzustossen."

Zurück zum Bärner Härz

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.