Moschee im Haus der Religionen – Foto: Hartmut Haas

Der notwendige Dialog der Kulturen

Mustafa Memeti tritt als Imam der Moschee im Haus der Religionen zurück

Anfangs Januar ist Mustafa Memeti als Imam der Moschee im Haus der Religionen zurückgetreten. Er übernimmt damit Verantwortung dafür, dass das islamische Gotteshaus für Zwangsheiraten missbraucht wurde, wie Radio SRF im November enthüllt hatte.

Karl Johannes Rechsteiner

Die Moschee im Haus der Religionen hatte offenbar bei religiösen Trauungen in der Vergangenheit nicht sorgfältig genug überprüft, ob Eheschliessungen zuvor standesamtlich vorgenommen worden waren. «Ich musste erfahren, dass die Moschee wohl für Zwangsehen missbraucht wurde», erklärt Imam Mustafa Memeti. Zwangsehen seien ein abscheuliches Verbrechen: «Mich machen diese Ereignisse deshalb fassungslos.»

Seit Jahrzehnten setzt sich Memeti für einen modernen schweizerischen Islam ein. Mit dem Muslimischen Verein als Träger der Moschee im Haus der Religionen engagierte er sich für einen konstruktiven interreligiösen Dialog. Deshalb kommt sein Rücktritt nun überraschend. Es sei aber wichtig, dass diese Ereignisse nun publik wurden, hält der muslimische Geistliche fest: «Für die Etablierung eines schweizerischen Islams braucht es muslimische Gemeinschaften, die sich öffentlich verantworten und nicht in Parallelwelten zurückziehen.» Nun hofft Mustafa Memeti, dass sein Entscheid auch eine Signalwirkung  hinsichtlich der Schaffung einer demokratischen Organisation aller muslimischen Glaubensgemeinschaften in der Schweiz habe.

Katholische Kirche trägt mit

«Wir sind traurig und entsetzt, dass Frauen gegen ihren Willen zu religiösen Heiraten gezwungen wurden – und dies im Haus der Religionen als einem Ort, der für die gemeinsamen ethischen Werte des Glaubens und des Zusammenlebens geschaffen wurde.» Das erklärt Angela Büchel Sladkovic, theologische Mitarbeiterin der Katholischen Kirche Region Bern und für die christlichen Kirchen Mitglied des Vorstands vom Haus der Religionen: «Gleichzeitig sind wir dankbar, dass dank der Fachstelle Zwangsheirat und kritischen Medienleuten solche Menschenrechtsverletzungen publik werden.»

Engagierte Menschen aus der Katholischen Kirche tragen seit den 1990er-Jahren die Vision eines Berner Hauses der Religionen mit. Sowohl die römisch-katholische Landeskirche des Kantons Bern wie die Katholische Kirche Region Bern engagieren sich ideell und finanziell stark für diesen Ort des Dialogs der Kulturen.

Seit der Eröffnung 2014 ist es dem Haus der Religionen gelungen, verschiedene Religionsgemeinschaften aus Garagen, Hinterhöfen und anderen unwürdigen Gottesdiensträumen herauszuholen – fünf von ihnen sind heute mit einem eigenen religiösen Raum im Haus der Religionen daheim. Angela Büchel stellt fest: «Sie sind aus dem Schatten getreten und nun an einem belebten städtischen Ort im öffentlichem Raum sichtbar. So ist das Haus zu einem Ort des Austausches, der Sensibilisierung und des Lernens geworden, gerade bei Fragen von Migration und Kultur.»

Keine Hinterhofmoschee

Auch Mustafa Memeti betont in seinem Rücktrittsschreiben: «Die Moschee im Haus der Religionen ist keine Hinterhofmoschee, sondern eine wichtige muslimische Institution und ein Ort, an dem die Öffentlichkeit hinschauen kann und muss.» Und auf der Webseite des Muslimischen Vereins heisst es: «Durch die Globalisierung, weltweite Migration und damit Pluralisierung hat der Dialog der Religionen und Kulturen sehr an Bedeutung gewonnen. Dadurch werden zwischen den verschiedenen religiösen Gemeinschaften Brücken gebaut und gegenwärtige Vorurteile abgebaut. Der interreligiöse Dialog unterstreicht die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen.» Der Koran rufe die Muslime dazu auf, mit den Nichtmuslimen in Weisheit und Scharfsinn zu diskutieren. Dazu wird die Koran-Sure 16, Vers 125, zitiert: «Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und streite mit ihnen auf die beste Art.»

Trotz der aktuellen Herausforderungen betont Angela Büchel Sadkovic, das Haus der Religionen sei weit und breit einer der wenigen Orte, wo solche Themen ernsthaft diskutiert würden: «Deshalb stehe ich als Vertreterin der Katholischen Kirche weiterhin voll dahinter – eigentlich zeigt das aktuelle Beispiel, dass wir solche Räume und Initiativen noch viel stärker unterstützen müssten.»

 

 

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Seit 2019 finden im Haus der Religionen in Bern Workshops und Projektwochen statt, in denen sich Jugendliche mit ihrem Leben in der kulturell und religiös pluralen Schweiz auseinandersetzen und gemeinsame Ausdrucksweisen entwickeln. Die Jugendlichen werden von Jungen Coaches begleitet, die für diese Aufgabe ausgebildet werden und sich mindestens während eines Jahres dort engagieren wollen.

Gesucht werden Leute zwischen 18 und 25 Jahren mit einer Leidenschaft für Audio, Fotografie, Graffiti, Kalligrafie, Musik, Schreiben, Spoken Word, Rap, Tanz, Theater, Video oder eine andere Kunst- oder Kulturrichtung. Dazu gehört auch ein Interesse an Fragen des Zusammenlebens in der heutigen und zukünftigen Schweiz und Offenheit für Gespräche über kulturelle und religiöse Vielfalt.

Bewerbungen bis 22. Januar 2023. Detaillierte Infos: www.haus-der-religionen.ch

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