Foto: Ehud Neuhaus, unsplash.com

Ein Waldatelier

Kolumne «Adiéu» von Monika Mandt

An das Gefühl, mit dem ich als Kind aus der grauen Grossstadtmitte ins grüne Umland zog, kann ich mich lebhaft er­innern. Ich genoss den Garten und die Entdeckungsreisen im nahen Wald. Ziemlich umgekehrt ging es einem Pa­tienten, der nach einer Hirnblutung sprachlich und körperlich eingeschränkt im Spitalbett lag. Mitten in der Natur wohnend und arbeitend, machte ihn die Situation im Spital zutiefst traurig, manchmal auch ungehalten.

Zum Glück konn­te Herr M. bald auf eine Reha­Station wechseln. Im neuen Zimmer stand vor dem Fenster eine grosse prächtige Rot­eiche. Diese Aussicht genoss er sehr. Wenn es aufgrund der schweren Kopf­schmerzen möglich war, gingen wir mit dem Rollstuhl in den Inselpark. In die­sen Momenten blühte Herr M. regel­recht auf. Er hatte Freude an jedem Baum und jeder Pflanze.

Einige Zeit später, als Herr M. seine rechte Hand wieder besser nutzen konnte, begann er zu malen. Sein be­vorzugtes Sujet waren Bäume: blühen­de, kahle, von Vögeln bewohnte, und immer wieder die Eiche vor seinem Zim­mer. Die Gemälde hingen alsbald im ganzen Zimmer und markierten seine Tür. Das Zimmer war zu einem Waldate­lier geworden.

Bäume können auf uns beruhigend wirken, Stress reduzieren und unsere psychische Gesundheit ver­bessern. Darauf beruft sich die japani­sche Therapieform des Waldbadens (Shinrin­yoku).

Ich hoffe, Herr M. lebt mittlerweile wieder an einem Naturort, und wünsch­te, vor jedem Spitalfenster könnte ein Baum oder wenigstens grüne Land­schaft sichtbar sein.

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