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Kirche anders leben

Kolumne «Adiéu» von Christian Geltinger

Am 12. September 2023 hat die Universität Zürich die Ergebnisse ihrer Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche in der Schweiz veröffentlicht. Die Monate davor habe ich versucht, mich als Leiter der Kommunikation der Katholischen Kirche Region Bern auf dieses Thema vorzubereiten, immer eine gewisse professionelle Distanz wahrend. Oder war es vielleicht doch eher Selbstschutz?

Als die Forschenden ihre Ergebnisse vorstellten, mehr noch als die Opfer selbst zu Wort kamen, hat es auch mich überrollt. Obwohl ich den Eindruck hatte, dass alle Beteiligten sehr sachlich, verantwortungsvoll und der Situation angemessen mit ihrer jeweiligen Rolle umgegangen sind, sind die inneren Fragen über mich hereingebrochen, die ich in den letzten Monaten so schön auf Distanz gehalten habe.

Was ist meine ganz persönliche Verantwortung, wenn ich trotz vieler Enttäuschungen immer wieder das Gefühl von Heimat in einer Kirche gesucht habe, die mich zu sich aufschauen liess wie zu einer väterlichen Autorität? Welche Glaubwürdigkeit hat eine Kirche, die mir von frühester Kindheit Schuldgefühle eingepflanzt hat, und sich dabei selbst immer wieder in Schuld verstrickt?

Ich glaube, es ist Zeit, auch in meiner Rolle als Christ erwachsen zu werden. Ich glaube, es ist Zeit, das Bedürfnis nach Nostalgie zu überwinden und sich den Realitäten auszusetzen, ungeschönt, ungeschützt, den Opfern Raum zu geben, die Verbrechen und vor allem ihre Ursachen zu benennen und als wachsamer kritischer Geist Kirche anders zu leben.

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