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Schiffsunglück

Kolumne «Adiéu» von Olivier Schopfer

Zwei zusammengebundene und mit Flüchtlingen überladene Barken schippern über das Wasser. Eine davon stösst gegen einen Baumstamm und beginnt zu sinken. In Panik versuchen die Leute auf die andere zu springen, was diese zum Kentern bringt. 111 Menschen ertrinken. Das passierte nicht im Mittelmeer, sondern auf der Aare, zwischen Aarberg und Lyss, am 5. September 1687.  

Es waren Glaubensflüchtlinge. Sie mussten massenhaft aus Frankreich fliehen, weil der König sie als Reformierte in seinem Land nicht mehr duldete. Man bezeichnete sie als «Hugenotten».

Bern bemühte sich, die Migranten auf die reformierten Städte zu verteilen, oder sie zur Weiterreise nach Brandenburg zu ermutigen. Kurz vor der Winterzeit wollte man einen Teil der Geflüchteten loswerden. Der Flussweg war gefährlich, aber günstiger. Die Katastrophe sorgte damals für grosses Entsetzen und Mitleid. Man hielt die angeblich betrunkenen Schiffsleute für schuldig.

Drei Jahrhunderte später hat sich leider wenig geändert. Immer wieder müssen Menschen fliehen, weil sie nicht den richtigen Glauben, die richtige Sprache, Hautfarbe oder anderes haben, womit man Menschen aussondern kann. Deswegen sollen wir die Opfer nicht vergessen, sondern sie, heute wie damals, mit Namen nennen. Nur so nehmen wir auch unsere eigene Verantwortung wahr: Wir sind Teil des Geschehens, dasselbe kann auch uns passieren.

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