Foto: Cristina Gottardi, unsplash.com

Try walking in my shoes

Kolumne «Adieu» von Martina Wiederkehr-Steffen

Am Wochenende mussten wir in der Familie lachen. Vor uns lag ein Berg Wäsche, den wir auf verschiedene Stapel sortierten. Ich erklärte meinem Mann, dass das weisse und das hellgrüne Shirt auf den Haufen «kommt nach Bern» gehören würde. Er fragte ganz erstaunt: «Welches grüne Shirt?» «Ja, dasjenige, das Du gerade in den Händen hältst», gab ich ein wenig irritiert zur Antwort. «Das ist doch hellblau», meinte er. «Nein, hellgrün», entgegnete ich. Und unsere Tochter, die daneben sass, sagte: «Für mich ist das auch hellblau.»

Immer wieder staune ich, wie unterschiedlich wir Menschen denken, fühlen und sehen. Auch unser Erleben ist unterschiedlich. Haben Sie schon einmal ein Geschwister oder ihre Eltern danach gefragt, wie sie eine bestimmte Situation in der Vergangenheit in Erinnerung haben?

Manche Situationen prägen uns zutiefst, und andere, die auch dabei waren, erlebten dasselbe als belanglos oder zumindest nicht so wichtig. Das kann enttäuschend sein, heisst aber nicht, dass meine Sicht oder meine Erinnerung falsch ist. Es ist einfach mein subjektives Erleben.

Wenn es mir aber gelingt, anderen einfach zuzuhören und ihre Erfahrungen stehen zu lassen, kann das nicht nur meinen Horizont erweitern, sondern ich zeige auch Wertschätzung für ihr Erleben. Die Band «Depeche Mode» singt in einem Lied: Try walking in my shoes. Bevor du irgendwelche Schlüsse ziehst, versuch, in meinen Schuhen zu gehen.

Übrigens: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass mein Shirt hellgrün ist und nicht hellblau …


 

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