Eine Gruppe von Freiwilligen der Katholischen Kirche Bern war zum Tag der Freiwilligen am 5. Dezember im Auslieferungslager von "Tischlein deck dich" in Grenchen zu Gast.
Christian Geltinger
Den meisten ist der Verein "Tischlein deck dich" als eine überlebensnotwendige Unterstützung für Menschen in Not bekannt. Hier erhalten sozial Bedürftige Lebensmittel, die andernfalls entsorgt werden würden. Ein trauriges Phänomen unserer Zivilisation, das Roger Bochinski, Stellvertretender Leiter des Auslieferungslagers für die Region Mittelland in Grenchen, mit einer eschreckenden Zahl auf den Punkt bringt: "Wir nutzen in der Schweiz lediglich 45% des Brots, das hier produziert wird." Und so ist es mit vielen Lebensmitteln, die von den umliegenden Supermärkten und Lebensmittelproduzenten bereit gestellt werden. "Wir nehmen alles, was wir bekommen können." Hier lagern wöchentlich 35-40 Tonnen Lebensmittel für 44 Abgabestellen im Mittelland.
"Wir können nur einen kleinen Zustupf beisteuern."
Vielen ist nicht bewusst, dass sich "Tischlein deck dich" in erster Linie als eine Organisation versteht, die Foodwaste den Kampf angesagt hat. "Wir können nur einen kleinen Zustupf zur Versorgung von Menschen in prekären Situationen beisteuern. Die Hauptlast, die tägliche Grundversorgung, muss der Staat tragen." Bochinski nimmt daher auch, was er kriegen kann. "Ich kann keine Bestellungen machen." Das geht von den Energiedrinks, die aus dem Sortiment genommen worden sind über das Gemüse, das nicht den genormten Grössen entspricht, bis hin zum Schoggi-Samichlaus im Februar oder zur Babynahrung. Die Besuchergruppe in Grenchen kann jedoch bestätigen: "Am Ende ist alles weg."
Foodwaste und Berufsintegration
Neben dem Kampf gegen Foodwaste und der Unterstützung von Bedürftigen liegt "Tischlein deck dich" ein dritter Aspekt am Herzen. Der Verein hat sich die Berufsintegration von Menschen zum Ziel gesetzt, die aus dem ersten Arbeitsmarkt gerutscht sind. Bochinski ist in seiner ersten Ausbildung Sozialarbeiter und erst in seinem zweiten Beruf Logistiker. Besonders stolz ist er, dass über 70% der Menschen, die bei ihm gearbeitet haben, wieder eine Stelle gefunden haben. Sein Grundrezept ist Vertrauen: "Ich frage nicht nach der Vergangenheit der Mitarbeitenden. Für mich ist jeder und jede ein weisses Papier. Natürlich gibt es anfangs immer wieder Unregelmässigkeiten. Ich darf nicht damit rechnen, dass alle täglich topmotiviert in die Arbeit kommen. Aber wenn ich dann, wenn die Leute da sind, wertschätzend mit ihnen umgehe, wird sich das verstetigen und sie kommen allmählich gerne hierher."
Nicht fragen. Jede und jeden so nehmen, wie er ist. Eigentlich ein sehr christlicher Gedanke. Vielleicht wäre das auch ein Rezept für den gemeinsamen Umgang im Alltag in unserer Gesellschaft. Die Freiwilligen, die sich bei "Tischlein deck dich" engagieren, haben den ersten Schritt getan und unterstützen damit gleich drei unterschiedliche Ziele.
Mehr zu Tischlein deck dich: www.tischlein.ch
Mehr zur Freiwilligenarbeit der Katholischen Kirche Bern gibt es HIER.