Foto: Andrea Huwyler

Wofür bist du heute dankbar?

Kolumne «Adieu» von Andrea Huwyler

Ich entdecke den Sticker an einer Ampel vor dem Bahnhof genau im richtigen Moment: «Wofür bist du (heute) dankbar?», steht da.

Angesichts der 800 Kilometer Entfernung sind gerade beim stattlichen Alter meiner Eltern Besuche leider nicht so häufig einzurichten, wie ich es gerne möchte. Und es ist mir bewusst, dass jede weitere vertraute gemeinsame Zeit, besonders mit gegenseitiger Bereicherung, ohnehin ein grosses Geschenk ist. Bleierne Gewissheit macht sich breit, dass es unvermeidlich irgendwann ein «letztes Mal» geben wird.

Auch jeder noch so schwache Trost ist mehr als willkommen. Und so halte ich mich daran fest, dass man in den allermeisten Fällen im Voraus nicht weiss, wann genau ein bestimmter «heiler Moment» zum letzten Mal eintreten wird: kindliche Unbeschwertheit, sich keine Gedanken über Schmerzen oder sonstige Beschwerden machen müssen, Sicherheit, Geborgenheit spüren und selbst schenken dürfen …

Darum bin ich (heute) besonders dankbar für dieses im Alltag wenig geschätzte Ungewisse, das mir aber im Augenblick Raum lässt, alles Stimmige zu geniessen. Und das mir vor allem auch die Hoffnung bewahrt, dass es irgendwie weitergeht. Auch dann, wenn ich einmal darauf angewiesen bin, mich dankbar erinnern zu können.

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