Spirituelle Impulse im Oktober von Karl Graf

    - vier Interviews mit Teresa von Avila

 

 

„Gott zwischen den Kochtöpfen in der Küche finden“

4. Interview


Ihr Portrait zeigt, wie Sie den Blick zum Himmel wenden, als ob Sie auf eine Inspiration zum Schreiben warten würden. Wann gab es für Sie solche inspirierende Momente.
Teresa: (Sie lacht.) Damals wurde so gemalt und was der Maler da zeigt, lässt an eine Schriftstellerin denken, die Musse hat, um auf Inspiration zu warten. Bei mir war es nicht so. Ich schrieb ja vor allem, um die Schwestern in den neu gegründeten Klöstern zu unterrichten. Meine Schriften entstanden oft unterwegs. Irgendwo in einem Zimmerchen nach einer Tagesreise setzte ich mich hin und dachte an die vielen Neueinsteigerinnen und versuchte ihnen zu erklären, was aus meiner Sicht wichtig war für den kontemplativen Weg. Mein Hauptwerk, „Wohnungen der inneren Burg“, schrieb ich, als mich die kirchlichen Behörden in Toledo unter Hausarrest gestellt und mir verboten hatten, weitere Klöster zu gründen.

Wenn ich Sie so höre, schiene mir ein Portrait passender, das Sie irgendwo auf einer beschwerlichen Reise zeigt oder im Disput mit einem kirchlichen Würdenträger oder ins Gespräch mit Mitschwestern vertieft…
Teresa: Ja, das wäre angemessener. Ich habe ja geschrieben, dass man Gott auch „zwischen den Kochtöpfen in der Küche“ finden kann und nicht nur in der Kirche. Es ging mir immer um eine geerdete Spiritualität.

Ich habe einmal ein Zitat von Ihnen gelesen: „Tu deinem Körper Gutes, damit deine Seele Lust hat darin zu wohnen.“ Das gefällt mir, weil es ganzheitlich ist.
Teresa: Ja, eine echte spirituelle Erfahrung ist immer auch leibhaft. Ich habe davon in meinem Hauptwerk „Wohnungen der innere Burg“ geschrieben, und zwar als Erfahrung einer spirituellen Sternstunde. Ich brauchte dafür das Bild der Quelle: „Sie quillt im grössten Frieden und in aller Ruhe aus unserem Innersten hervor, ohne dass ich weiss von wo und wie. Sie ergiesst sich nach und nach in alle Seelenvermögen, bis sie auch den Leib erreicht“. Ein anderes Mal habe ich diese Erfahrung mit dem Bild von Räucherwerk auf glühenden Kohlen beschrieben: „die Wärme und der Dufthauch durchdringen die ganze Seele, und oft genug hat der Leib Anteil daran“

Danke für die bildhafte Beschreibung einer ganzheitlichen Spiritualität. Das ist auch für uns nach 500 Jahren aktuell.

„…mit Hühnerschritten gelangt man nie zur Freiheit des Geistes“.

3. Interview


Darf ich sie direkt etwas fragen? Hatten sie auch Krisen und Zweifel auf ihrem Weg?
Teresa: Oh ja und wie! Ich habe in meiner Autobiographie davon geschrieben, wie ich „fast zwanzig Jahre auf diesem stürmischen Meer trieb mit diesem Fallen und Aufstehen.“ Ich war zwar bereits als junge Frau im Kloster, aber ich war nicht zufrieden mit dem halbherzigen und selbstzufriedenen Massenbetrieb in meinem Kloster. So machte ich mich auf die Suche, besprach mich mit interessierten Mitschwestern und mit aufgeschlossenen Theologen. Immer deutlicher wurde mir klar, dass ich etwas ganz Neues, Einmaliges wagen musste. Sonst würde ich immer in dieser Halbheit und Unzufriedenheit bleiben. Ich hörte, wie mein Bruder nach Amerika aufgebrochen war, in die neu entdeckte Welt jenseits des Atlantiks. Ja, ich musste auch aufbrechen. Freiheit war mir wichtig.

Und was taten Sie? Da bin ich gespannt.
Teresa: Die Idee war im Grunde ganz schlicht. Es ging mir darum, meine kontemplative Berufung radikaler zu leben. So wie mein Bruder über das Meer gefahren war, so musste ich nach Innen aufbrechen. Ich erkannte immer deutlicher, dass es dazu auch einen neuen Lebensstil brauchte. Das grosse Kloster mit 180 Schwestern, in dem ich lebte, war zu sehr ein Massenbetrieb und zudem konnten sich die Schwestern aus reichem Haus grosse Suiten leisten. Mein Vision war eine kontemplative Gemeinschaft in einem einfachen Haus in der Stadt. Das habe ich dann auch organisiert und bin mit einigen Freundinnen umgezogen.

Haben die Schwestern und die Äbtissin das akzeptiert?
Teresa. (Sie schüttelt lebhaft den Kopf.) Oh nein, es gab einen Riesenskandal. Bürgermeister und kirchliche Behörden haben sich eingemischt. Mein Experiment stand auf Messers Scheide. Aber schliesslich konnte ich mich mit Unterstützung von Freunden durchsetzen und das war dann der Neuanfang für viele andere kleine Klostergemeinschaften, die ich gründete und inspirierte.

Wohl ziemlich ungewöhnlich für eine Ordensfrau im späten Mittelalter, so herumzureisen…
Teresa: Allerdings, der Nuntius schimpfte und nannte mich „ein herumstreunendes Weib“. Aber das hat mich nicht weiter beschäftigt. Meine Berufung war mir so klar und sie führte mich in eine ganz neue Freiheit. In einer anderen Art als mein Bruder mit der Seefahrt hatte ich Grenzen überschritten. Meinen Schwestern habe ich das einmal so gesagt: „Viel ist dran gelegen, unsere Wünsche nicht klein zu halten.“ Und: „… mit Hühnerschritten gelangt man nie zur Freiheit des Geistes“.


„Verweilen bei einem Freund“

2. Interview


Ich möchte gern ein Thema ansprechen, das Ihnen vielleicht fremd ist, das aber viele von uns heute beschäftigt. Ich höre oft die Aussage: Ein personales Gottesbild ist mir fremd, ich bevorzuge ein apersonales wie z.B. Gott als kosmische Energie in der Natur. Was denken Sie dazu?

Teresa: (Sie blickt mich erstaunt an.) „Kosmische Energie“, das tönt für mich fremd und abstrakt. Aber die Gotteserfahrung in der Natur, die Sie ansprechen, war auch für mich wichtig. Ich habe einmal zu meinen Mitschwestern gesagt: „Für viele ist ein Buch für das Beten gut, mir hilft es, Felder oder Wasser oder Blumen zu sehen.“

Das freut mich, dass auch für Sie der Zugang über die Natur so wichtig war. Dann stand für Sie die persönliche Gottesbeziehung auch nicht so im Vordergrund?
Teresa: (Sie schüttelt vehement den Kopf.) Oh doch! Für mich war die Beziehung zu Jesus Christus ganz wichtig. Unvergesslich ist für mich jene tiefe Erfahrung, als ich die Statue des gefolterten Christus im Gebetsraum unseres Klosters mit ganz neuen Augen gesehen habe. Es war nach einem langen und schmerzlichen Suchprozess, in dem ich mich innerlich zerrissen erlebte. Auf einmal spürte ich eine tiefe Solidarität und Verbundenheit mit Jesus, der mit dieser Not und Zerrissenheit vertraut ist.

Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Da sprechen sie ein heikles Thema an. Viele Menschen in unserer Zeit haben genug vom Bild des leidenden Christus. Sie empfinden es als etwas Lebensfeindliches.
Teresa: Aber wie geht ihr dann mit all den schwierigen und schmerzlichen Erfahrungen um, mit denen Ihr euch auch auseinandersetzten müsst? Mir war ein Gott wichtig, der auch mit Leiden vertraut ist und der mir in meinen schmerzlichen Erfahrungen nahe ist.

Sicher, wir haben es auch nicht leicht. Aber gerade darum ist nach meiner Meinung ein Gottesbild wichtig, das auch mit Freude und Erfahrung von Glück zu tun hat.
Teresa: (Sie nickt lebhaft.) Einverstanden! Ich habe in einem sehr persönlichen Text einmal geschrieben: „Mein Gott, ich sage das mit Tränen und grosser Freude in meiner Seele. Wie erfreust du dich an uns, du sagst ja, dass es deine Freude sie, bei den Menschenkindern zu sein.“ Worauf es mir ankommt, ist eine tiefe Verbundenheit mit dem gegenwärtigen Gott im Glück und in der Not.

Mir fällt auf, dass Sie von einer persönlichen, fast intimen Gottesbeziehung her sprechen.
Teresa: Ja genau, darum geht es mir. Das ist für mich das Zentrum des Gebets. Ich habe es einmal so formuliert: „Beten ist für mich nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“

Danke für Ihre sehr persönlichen Worte und ich freue mich auf die Fortsetzung unseres Gesprächs.


„Wir müssen überhaupt nichts tun“

1. Interview

 

Ich möchte gern mit Ihnen, liebe Teresa, ins Gespräch kommen zum Thema Spiritualität, einem Thema, das uns in der heutigen Zeit auf den Nägeln brennt. Sind sie für ein Interview zu haben?
Teresa: Aber sicher! Ich habe immer leidenschaftlich gern diskutiert, auch wenn die Kirchenmänner damals den Frauen keine theologische Kompetenz zugesprochen haben. Aber schliesslich haben Sie es nach fast 500 Jahren nachgeholt und mich zur Kirchenlehrerin ernannt. (Sie lacht verschmitzt.)

Wir kennen heute viele Zugänge zu Spiritualität. Die einen üben sich in Zen-Meditation, andere beten den Rosenkranz, wieder andere versuchen es mit Sufi-Tanz. Welche Methode würden Sie bevorzugen?
Teresa: Zuerst einmal finde ich einen Suchprozess wichtig. Ich selber musste jahrelang suchen, bis ich meinen Zugang gefunden hatte. Jedoch ist mir bei all den verschiedenen Wegen ein Grundsatz wichtig: Vom Machen zum Geschehenlassen!
Ich habe das in einem Bild ausgedrückt, denn Bilder sind mir näher als theoretische Erörterungen. Dieses Bild hat mit den Bewässerungsmethoden zu tun, die uns in Spanien für die trockene Jahreszeit vertraut sind. Entweder schöpfen wir das Wasser aus dem Brunnen und verteilen es in mühseliger Kleinarbeit auf die Felder. Leichter geht es jedoch mit ein bisschen Technik, mit dem von Eseln betriebenen Schöpfrad. Mit diesem Gerät schöpfen wir das Wasser aus einem Fluss und leiten es in Röhren auf die Felder. Das ist schon effektiver.
Aber es gibt noch etwas viel Besseres. Ich habe das so formuliert: „wir müssen überhaupt nichts mehr tun, weil Gott es kräftig regnen läßt.“ Das ist natürlich kein Ratschlag für die Landwirtschaft!
Aber für die Spiritualität gilt: Ich muss lernen zu warten und darauf gefasst zu sein, dass Gott Überraschungen bereit hält, es „regnen lässt“! Diese Übung ist tausend Mal wichtiger als alle noch so raffinierten Methoden.

Aber Entschuldigung! Das tönt nun in meinen Ohren schon etwas naiv. – Unsere Aktivität ist doch auch wichtig!
Teresa: Ja, gewiss, aber nicht in der „Macherart“, die euch so vertraut ist. Ihr müsst eine Art spirituelle Gewaltlosigkeit lernen, eine Art passive Aktivität. Ich habe es einmal so formuliert: “Es soll sanft und friedlich zugehen, die Seele soll sich in grösster Ergebung den Händen Gottes überlassen.“

Liebe Teresa, danke für dieses Gespräch!

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