Pfingsten

Pfingsten ist der christliche Feiertag, mit dem viele Menschen am wenigsten anfangen können. Das ist nicht erst heute so, sondern war es schon immer. Jesu Geburt im Stall oder sein Tod am Kreuz lässt sich wunderbar malen, meisseln, schnitzen oder filmen. Darstellungen des Pfingstereignisses hingegen sind dünn gesät.

Das ist kein Zufall, den Pfingsten ist gleich mehrfach nur schwer greifbar.

Brausen und Feuerzungen

50 Tage nach dem Passah-Fest feiern die Juden noch heute Schawuot. Sie erinnern sich dabei an die Gabe des Gesetzes, der Tora. In der damaligen Weltsprache Griechisch hiess das Fest Pentekostë, was 50 bedeutet. Davon ist das Wort Pfingsten abgeleitet.

Es ist ein paar Tage, nachdem Jesus gestorben, auferstanden und in den Himmel aufgenommen worden ist. An diesem Tag sind die Jüngerinnen und Jünger Jesu "in einem Obergemach" beisammen – wo genau, verrät die Bibel nicht. Man darf davon ausgehen, dass es ein Versteck in Jerusalem ist, wo sie sich im Geheimen treffen. Denn seit dem Tod Jesu lebt die verschüchterte Schar in steter Angst, enttarnt, verraten und ebenfalls angeklagt zu werden.

Der Geist weht, wo er will

Mit der Beschreibung dessen, was dann geschieht, tut sich der Chronist Lukas schwer. «Es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind...», schreibt er. Feuerzungen seien erschienen und hätten sich auf sie gesetzt. Man spürt förmlich, wie der Schreiber der Apostelgeschichte ringt, um das Erlebnis in Worte zu fassen und das Unerklärbare zu erklären.

Was hier geschieht, wird auch «Ausgiessung des Heiligen Geistes» genannt. Wer oder was der Heilige Geist genau ist, bleibt stets etwas im Unbestimmten. Jesus selbst wird das Zitat zugeschrieben: «Der Geist weht, wo er will.» Menschen können immer nur sein Wirken erkennen, der Geist selbst entzieht sich einer eindeutigen Beschreibung. Dennoch verspricht Jesus, dass er seinen Jüngern und Jüngerinnen diesen Geist als Beistand schicken wolle.

Für alle Völker

Die Jüngerinnen und Jünger Jesu sind nach dem Ereignis wie verwandelt. Sie verlassen ihr Versteck, gehen hinaus auf die Strassen und Plätze und predigen furchtlos die Botschaft Jesu, wie die Apostelgeschichte überliefert. Der Apostel Petrus setzt an zur ersten christlichen Predigt der Geschichte und überzeugt viele Menschen.

Damit nicht genug: Die Jünger predigen in Sprachen, die sie nie gelernt haben und die ihnen selber unbekannt sind. Zu Schawuot sind Jüdinnen und Juden aus dem ganzen Römischen Reich nach Jerusalem gereist. Viele von ihnen verstehen gar kein Hebräisch. Sie hören das Evangelium nun auf Griechisch, Lateinisch, Arabisch oder Persisch. Die Leute sind perplex. «Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?» Oft wird dieses Ereignis als Zeichen der völkerverbindenden Kraft des Glaubens interpretiert.

Geburtsfest der Kirche

Pfingsten gilt als Gründungsfest der christlichen Kirche. Ab jetzt versteht sich die Jüngerschar als eigenes Volk Gottes, das sich vom Judentum unterscheidet. Die bald einsetzende Verfolgung katapultiert sie aus Jerusalem hinaus. Mit ihnen verbreitet sich der christliche Glaube schnell im ganzen römischen Reich und darüber hinaus.

Das Pfingstfest wird in der jungen Christenheit bald als eigenständiges christliches Fest gefeiert. Es schliesst den Osterfestkreis ab. Das nächste christliche Fest ist erst am 15. August mit Mariä Himmelfahrt.

Luftballons und Pfingstbäume

Die Kirche versuchte stets, das Pfingstgeschehen in den Gottesdiensten zu veranschaulichen. An einigen Orten lässt man Blütenblätter auf die Gemeinde niederregnen, an anderen entzündet man Pfingstfeuer oder lässt Holztauben aus der Kirchendecke niedersinken. Sogar Luftballons kommen zum Einsatz. Tau des Pfingstmorgens wurde teils Heilwirkung nachgesagt. Zur Pfingsttradition gehören auch Flurumgänge und Prozessionen. Vielerorts ist Pfingsten ein beliebter Termin für Taufen oder Firmungen.

Auch uralte heidnische Frühlingsbräuche überlebten unter christlichem Deckmantel. Pfingstbäume gehören dazu, sie haben dieselbe Funktion wie Maibäume. Im aargauischen Fricktal geht es derb zu. Dort wird ein Jüngling ganz in Blätter gehüllt. Er zieht dann als Fruchtbarkeitsgottheit durchs Dorf, spritzt Umstehende aus dem Dorfbrunnen nass und macht Jagd auf junge Frauen, um sie in den Brunnen zu werfen.

Pfingstkirchen

Auf Pfingsten beruft sich die weltweite Pfingstbewegung. Ihre Mitglieder suchen die Wirkungen des Heiligen Geistes, besonders die Zungenrede (Sprechen in unbekannten Sprachen in Verzückung) und profetisches Reden. Pfingstliche Kirchen und Gemeinschaften sind heute weltweit die zweitgrösste christliche Gruppierung (nach der Katholischen Kirche). Auch innerhalb der Katholischen Kirche gibt es charismatische, also (neu-)pfingstlerische Gruppierungen.

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.