Auffahrt


Irgendwie musste die Geschichte von Jesus einen Abschluss finden. Er wurde gekreuzigt (Karfreitag) und ist auferstanden (Ostern). Danach sei er den Jüngerinnen und Jüngern verschiedentlich begegnet, berichten die Evangelien.

Schliesslich kam der Tag des Abschieds. Jesus gab seinen Jüngerinnen und Jüngern letzte Anweisungen, segnete sie und «fuhr auf gen Himmel», schreibt der Evangelist Lukas. Dann sei er von den Wolken aufgenommen worden. Diese Beschreibung verstanden die Adressaten, die Juden, gut. Wolken waren für sie von alters her ein Zeichen der göttlichen Gegenwart.

Flog Jesus davon?

Auffahrt hat die Phantasie der Kunstschaffenden aller Zeiten stets besonders beflügelt – im wortwörtlichen Sinn. Unzählige Male wurde ein davonfliegender Jesus dargestellt, der eine schockierte Jüngerschar zurücklässt. Mal entschwebt er mit einem triumphalen Gestus, mal sind gerade noch seine Füsse zu sehen, der Rest verschwindet in den Wolken. In einer Bibelverfilmung von 1979 ändert der Regisseur den Blickwinkel und lässt die entschwebende Kamera auf die Jünger zurückschauen.

Den Darstellungen ist gemeinsam, dass sie am Kern der Geschichte vorbeizielen. Es geht der biblischen Erzählung um keinen Weltraumflug. Im Altgriechischen, der Sprache des Neuen Testaments, wird auch nicht von Auffahrt gesprochen, sondern von Aufnahme (Jesu in den Himmel). Es ist eine Falle der deutschen Sprache, dass sie für das Weltall (engl. sky) und den spirituellen Ort des Göttlichen (engl. heaven) dasselbe Wort benützt.

Die biblische Erzählung versucht ein Ereignis in Worte zu fassen, das sich der menschlichen Erfahrung entzieht: dass Jesus eins sei mit Gott. Und dass er, nachdem er Mensch geworden war, wieder zu Gott zurückkehrte.

Ein freier Tag

Ein Feiertag mitten in der Woche – das freut Arbeitnehmende, die gerne auch gleich den Tag danach frei nehmen und das «Brüggli» machen. Auffahrt wird am 40. Tag nach Ostern gefeiert und fällt damit stets auf einen Donnerstag.

Es ist wiederum Lukas, der berichtet, dass Jesus nach Ostern den Jüngern noch 40 Tage lang erschienen sei. In Europa ist Auffahrt nur in Ungarn sowie in den katholischen Ländern Italien und Polen kein Feiertag.

Auffahrt heisst der Tag nur in der Schweiz. Im übrigen deutschsprachigen Raum wird er Himmelfahrt genannt. Das Fest gehört zum Osterfestkreis, der in der frühen Christenheit auch als Einheit verstanden wurde.

Prozessionen und Vatertag

In der mittelalterlichen Kirche wurde Auffahrt veranschaulicht, indem eine Christusstatue an Seilen zur Kirchendecke und durch ein Loch gezogen wurde. Begleitet wurde das Schauspiel von einer üppigen Weihrauchwolke. Heute finden Auffahrtsgottesdienste häufig unter freiem Himmel statt.

An vielen Orten finden an Auffahrt Prozessionen zu Fuss oder zu Pferd statt. Bekannt sind die Umritte an verschiedenen Orten im Kanton Luzern. Bei diesen Bräuchen sind mittelalterliche Bannritte, die Bitte um Erntesegen und die Meditation über die Göttlichkeit Jesu verschmolzen. Es ist an einigen Orten bis heute Brauch, dass an diesem Tag nur Geflügel auf den Tisch kommt.

In Deutschland wurde Auffahrt zum Vatertag, der seine Wurzeln vielleicht in den Flurumgängen hat. Diese waren schon im Mittelalter zu Sumpftouren verkommen, in denen der Alkohol wichtiger war als das Weihwasser. Wenigstens daran hat sich nichts geändert.

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