Anlässlich des feministischen Streiks haben katholische Frauen in Biel/Bienne das Wort ergriffen
Eine engagierte und auch kämpferische Gruppe katholischer Frauen haben an den Demos zum feministischen Streik in Biel/Bienne und anschliessend in Bern teilgenommen - mit Bannern und mit Reden. Sie fordern unüberhörbar eine andere Kirche und werden sich das Wort nicht verbieten lassen. Sie solidarisieren sich mit allen Frauen und queeren Menschen, die gekommen sind.
Die Redebeiträge auf dem Zentralplatz in Biel waren - wie die bilingue Gruppe repräsentierend - auf französisch und auf deutsch: Von Denise Chervet und CLaudia Christen. Die Frauen sind allesamt in der Bieler Kirche engagiert und auch ökumenisch und politisch vernetzt. Das Pastoralraumteam weiss sich solidarisch: Pfarrer Peter Bernd und Pfarreiseelsorger Stefan Herbst waren in Biel/Bienne dabei.
Das waren die beiden Redebeiträge - dokumentiert auf deutsch…
Von Denise Chervet:
Ein Hallo Euch allen
Ich bin katholisch ... Keine Angst, ich werde euch keine Predigt halten!
Ich bin hier im Namen von katholischen Frauen aus Biel, die die Ziele des feministischen Streiks 2023 unterstützen - . Auch wir wollen eine Gesellschaft, in der es sich gut leben lässt, eine Gesellschaft ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Vermögen, Nationalität, Religion, Alter, Gesundheit, kurzum frei vom Patriarchat und all seinen Folgen ...
Wir sind Katholikinnen und in unserer Kirche aktiv, die jedoch nicht nur für die Entstehung des Patriarchats mitverantwortlich ist, sondern auch heute noch eine der «patriarchalischsten» Institutionen unserer Gesellschaft ist. Es gibt viele von uns, die aus diesem Grund aus der Kirche ausgetreten sind, - und wir verstehen sie. Aber wir bleiben in der Kirche, weil sie mehr ist als diese männliche Hierarchie, die für die Zusammenarbeit mit Diktaturen, mit Machthabern, für den Missbrauch von Frauen und andere Schandtaten verantwortlich ist.Die Kirche besteht auch aus Mitgliedern, die solidarisch und aktiv mit den Schwächsten sind, mit den Ärmsten, den Sans Papiers, den Menschen ohne Gender, ohne Nationalität, ohne Wohnsitz, ohne Geld, kurz gesagt mit denen, die nicht die Macht haben ... aber die zusammen mächtig sind. Zu allen Zeiten gab es in der Kirche Menschen, die sich den Mächtigen, den Stärksten, den Reichsten, den Diktatoren entgegenstellten, um mit denjenigen zu sein, die eine gerechte Welt wollten und wollen. Mutter Teresa, Dom Helder Camara, Schwester Sofia, Josef Wresinsky, Gründer von ATD Vierte Welt, und all die anonymen Menschen, meist Frauen, die Suppenküchen organisieren, Kranke besuchen, Flüchtlinge unterstützen oder sich in politischen oder sozialen Bewegungen engagieren... Sie sind oft unsichtbar, aber dort, wo sie handeln, sind sie wirksam. Sie zeigen die Richtung auf, in die sich die Kirche bewegen muss, um der Menschheit zu dienen und ihrer Berufung gerecht zu werden.
Es ist völlig klar, dass die Kirche sich selbst in Frage stellen und verändern muss. Sie muss auf die Stimmen all der Frauen achten, die sich seit Jahrhunderten in ihr engagieren, und ihnen den Platz einräumen, den sie verdienen und beanspruchen. Sie müssen auf allen Ebenen die gleichen Rechte wie die Männer haben. Wir bleiben in dieser Kirche und setzen uns dafür ein, dass sie mit der Botschaft Jesu von Liebe und Solidarität in Einklang ist. Wir wollen eine Kirche, die nicht patriarchalisch ist, aber auch nicht matriarchalisch. Wir wollen eine Kirche, die Frauen, Männer und queere Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihrem sozialen Status einschliesst, ihnen eine Stimme verleiht und ihnen die gleichen Rechte einräumt. Eine feministische Kirche also!
Meine Kollegin liest Ihnen nun einen Text vor, der von der feministischen Theologin Carola Moosbach inspiriert wurde.
Von Claudia Christen:
Wir sagen unseren Brüdern und den Mächtigen
in der katholischen Kirchewie konntet ihr Männer es wagen
die Frauen krank zu reden und klein zu lügen.
wie konntet ihr Gottes Wahrheit verleugnen
als die Frauen ihr Lied der Befreiung sangen und tanzten.
wie konntet ihr wagen Gott einzusperren
in Herrschersprache und Angstgerede
Gott zu benutzen für Hass- und Gewaltgeschichten
von unreinen Frauen
bespuckt und zum Schweigen gebracht habt ihr sieund was tut ihr heute?
glaubt bloss nicht Gott wartet auf eure Erlaubnis
das Wort zu ergreifen und durch Frauen und
ausgegrenzte Menschen zu sprechen
glaubt bloss nicht wir warten auf eure Erlaubnis
um aufzubrechen und auszubrechen
aus dieser Kirche die sterben wird
wenn ihr nicht endlich begreiftWir bleiben noch in der Kirche und wandeln sie um
damit sie feministisch und solidarisch wird.inspiriert durch Carola Moosbach «Gegenrede»
(Ein Gedicht zu Numeri 12,1-15)
So lautete der allgemeine Aufruf zum feministischen Streik:
Frauen bekommen immer noch weniger Lohn und tiefere Renten. Sie übernehmen mehr unbezahlte Arbeit. Und sie sind mit Diskriminierungen und Belästigungen konfrontiert. Es braucht endlich konkrete Verbesserungen!
Deshalb rufen wir am 14. Juni 2023 zu einem grossen Feministischen Streik auf! Und mobilisieren uns. Am Arbeitsplatz, weil viele Ungleichheiten ihre Wurzeln in der Arbeitswelt haben. Aber auch in der Öffentlichkeit, damit sich die ganze Gesellschaft bewegt.
Infos: www.14juni.ch