Gesehen an einer Hauswand in Faido im Kanton Tessin (Foto: C. Imboden)

Wenn Maria uns nährt

IN DER KUNST GIBT ES ÜBERRASCHENDE DARSTELLUNGEN DER MUTTER JESU. SIE ERMUTIGEN, DIE REDE VON MENSCHEN MIT DER REDE VON GOTT ZU VERBINDEN.

Im Mai feiern wir den Marienmonat. Dies schon seit der Barockzeit also seit ca. 300 Jahren. In der vorchristlichen Zeit war der Monat Mai nach der Fruchtbarkeitsgöttin Maia benannt was wohl dazu beigetragen hat, dass die Christen ihre Marienverehrung auf diesen Monat legten, um die heidnischen Feiern zu «verchristlichen».

Lange Zeit hatte Maria durch ihre Rolle, Gottesmutter zu sein, eine besondere Stellung in der Kirche und unter den Gläubigen. Auch in der Theologie entbrannte mancher Streit um die Rolle von Maria. Und wie sieht es für uns Menschen heute aus? Spielt Maria für uns überhaupt noch eine Rolle?

Im frühen Christentum entbrannte sich der Streit an der Frage, ob Maria Mutter von Jesus Christus, also Gottesgebärerin, sei oder vielleicht «nur» die Mutter seiner menschlichen/irdischen Gestalt. Erst mit dem Konzil von Ephesus 431 n. Chr. wurde die Streitigkeit, welche wohl die ganze Bevölkerung bewegte, beendet und es wurde Maria der Titel «Theotokos – Gottesgebärerin» zugesprochen.

Uns Menschen von heute, fällt es vielleicht schwer, nachzuvollziehen wie eine solche Frage das ganze Volk und die Theologie der damaligen Zeit so stark beschäftigen konnte, dass es einen Konzilsbeschluss brauchte, um den Streit zu beenden. Und doch lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, was es bedeutet Gottesgebärerin zu sein?

Maria als Theotokos könnte auch uns Menschen von heute, wieder zum Vorbild werden. Wenn auch wir es zulassen, dass der Geist Gottes in uns Form annehmen kann, könnten auch wir zu Gottesgebärer:innen werden.  Wir könnten zum Segen für andere werden und so selbst zur «Mutter-Gottes» für die Welt von heute.

Angelus Silesius hat es folgendermassen formuliert: «Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du bliebst noch ewiglich verloren.»

Maria ist Königin aller geistigen und materiellen Schöpfung. So wird sie jedenfalls in einigen Marienliedern besungen. Sie wird erhöht und scheint uns Menschen, vielleicht vor allem uns Frauen, irgendwo unerreichbar. Trotzdem wird oder wurde sie oft als Vorbild benutzt, als die Frau herausgehoben, der es nachzueifern galt. Ist dieser Zugang zu Maria heute noch zu gebrauchen? Will heute überhaupt noch jemand Maria als Vorbild sehen?

Mit der Maria, wie sie viele Jahre in der Kirche verherrlicht wurde, haben wir Frauen von heute wohl nichts mehr gemeinsam. Und doch denke ich lohnt sich ein Blick auf Maria. Als Mutter und Gebärerin, ist sie Schöpferin und Ernährerin. Eine Frau, die sich ihrem Schicksal mutig gestellt hat und dieses bis zum Schluss ernstgenommen und gemeistert hat.

Vielleicht ist es an der Zeit Maria und ihren Vorbildcharakter in die heutige Zeit zu übersetzen, wie dies bereits vor fast 40 Jahren von Papst Paul VI. in seinem apostolischen Schreiben «Marialis Cultus» gefordert wurde : eine Mariologie zu entwickeln, die «biblisch begründet, ökumenisch verantwortet, liturgisch ausgerichtet und dem heutigen Menschenbild entsprechend» (vgl. Paul VI., Marialis Cultus) ist. Vielleicht eröffnet der Mai die Chance, sich auf neue Weise von Maria inspirieren zu lassen.

Carole Imboden

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