Ausführliche Chronologie zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat

Im Kanton Bern besteht eine besonders enge Verbindung von Kirche und Staat. Die Akzeptanz der Kirchen in der Berner Bevölkerung ist gross: Rund 75% sind Mitglied einer Landeskirche. Derzeit prägen jedoch Spardruck und Forderungen nach einer Änderung im Verhältnis Kirche-Staat die politische Diskussion.

Fakt ist: Die Kirchen haben in den letzten Jahren bereits massiv (ca. 10%) Stellen eingespart. Sparen geht letztlich immer zulasten von Menschen. Doch gerade die Landeskirchen haben eine unverzichtbare soziale Funktion: Sie unterstützen Notleidende, bieten mit der Seelsorge Einsamen oder Randständigen ein Gefäss und engagieren sich für soziale Anliegen in der Gesellschaft. Von ihren Leistungen wie der Spitalseelsorge, Care Teams, Jugendarbeit oder Familienberatungen profitieren nicht nur Mitglieder, sondern die gesamte Bevölkerung. Bei einer Schwächung der Kirchen können diese Funktionen nicht mehr in der gleichen Weise wahrgenommen werden.

Die Kirchen sind ihr Geld wert – zu diesem Resultat gelangt auch die so genannte FAKIR-Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 erstellt wurde. Die Zuwendungen der öffentlichen Hand an die Kirchen kommen in Form sozialer Dienstleistungen an die Gesellschaft vollumfänglich zurück.

Die Chronologie der Ereignisse, Diskussionen und Beschlüsse rund um das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern seit September 2012:

- 16. Dezember 2019: Ende des Jahres geht im Kanton Bern eine Ära zu Ende. Nach 215 Jahren gibt der Kanton die Verantwortung für die Anstellung der Pfarrerinnen und Pfarrer wieder in die Hand der Landeskirchen. Für rund 600 Geistliche werden künftig die Landeskirchen statt der Kanton Arbeitgeberinnen. Dieser historische Moment wurde am 16.12.2019 mit einer Feier im Berner Münster begangen.

- 21. März 2018: Der Grosse Rat des Kantons Bern genehmigt das neue Landeskirchengesetz in zweiter Lesung mit wenigen Gegenstimmen. Er zeigt damit, dass er das partnerschaftliche Verhältnis von Kirche und Staat weiterführen will.

- 7. April 2017: Der Regierungsrat präsentiert die Vorlage zum neuen Landeskirchengesetz. Am 21. Juni äussert sich die vorberatende Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) des Grossen Rates zustimmend zur Vorlage. Auch die Röm.-kath. Landeskirche sagt ihre Unterstützung zu. Am 6. September zeigt sich der Grosse Rat in erster Lesung trotz vereinzelter Gegenstimmen zufrieden mit dem Gesetz.

- 3. Dezember 2016: An der Synode in St. Imier wird das Resultat der internen Vernehmlassung präsentiert. Es zeigt sich, dass die meisten Kirchgemeinden, Regionen und weiteren angefragten Organisationen zwar hinter dem Vorschlag zum neuen Landeskirchengesetz stehen, jedoch das Finanzierungsmodell ablehnen.

- 16. September 2016:An einem Point de Presse zur Eröffnung der Vernehmlassung zeigt sich die Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Bern grundsätzlich zufrieden mit der Stossrichtung des neuen Landeskirchengesetzes, so wie es der Regierungsrat vorlegt. Sie betont aber auch, dass sie Vorbehalte gegenüber dem Finanzierungsmodell hat. Dieses sieht, wie schon heute, keine Gleichbehandlung der Landeskirchen in finanzieller Hinsicht vor.

- 8. Dezember 2015: Anlässlich des Point de Presse zum Thema Kirche und Staat vom 8. Dezember hat der Regierungsrat des Kantons Bern über die Ansprüche der evangelisch-reformierten Landeskirche auf die historischen Rechtstitel orientiert. Diese Ergebnisse haben auch Folgen für die finanziellen Abgeltungen für die Römisch-katholische Landeskirche.

- 16. September 2015: Mit deutlicher Mehrheit (125 Ja, 8 Nein, 8 Enthaltungen) hat der Grosse Rat des Kantons Bern am 16. September den regierungsrätlichen Bericht über das Verhältnis von Kirche und Staat zur Kenntnis genommen. Der Regierungsrat möchte das Verhältnis zwischen Kirche und Staat weiterentwickeln: Im Zuge einer Totalrevision des Kirchengesetzes von 1945 werden die Landeskirchen künftig für die Anstellung der Pfarrer und die pfarramtliche Versorgung im Kanton zuständig sein. Auf die Ablösung der historischen Rechtstitel wird verzichtet. Der Staat kommt weiterhin für die Entlöhnung der Pfarrer auf. Dazu wird ein neues, zeitgemässes und verlässliches Finanzsystem erarbeitet.

Das Parlament folgte weitgehend der Linie des Linie des Regierungsrates sowie den Mehrheitsanträgen der Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK). Gescheitert sind folgende wichtigsten Minderheitsanträge:

- Trennung von Kirche und Staat.

- Die vollständige Gleichstellung der Geschlechter als Bedingung für die Anerkennung als Landeskirche.

- Die Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen.

- 15. September 2015: Der Bericht über das Verhältnis von Kirche und Staat kommt in den Grossen Rat. Regierungsrat und vorberatende Kommission empfehlen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

- 11. August 2015: Die Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) des bernischen Grossen Rates empfiehlt dem Kantonsparlament, den Bericht über das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern zur Kenntnis zu nehmen. Zu den Leitsätzen des Regierungsrates für die Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat hat sie Planungserklärungen verabschiedet. Dabei schlägt sie dem Grossen Rat insbesondere vor, dass bei den Kirchensteuern der juristischen Personen eine negative Zweckbindung eingeführt wird und nicht wie vom Regierungsrat vorgesehen eine positive Zweckbindung. Eine Minderheit der Kommission wird dem Grossen Rat weitere Planungserklärungen vorschlagen. Gefordert wird namentlich, dass Möglichkeiten zur Ablösung der historischen Rechtstitel geprüft werden und ein Gesetz zur Förderung gemeinnütziger Religionsgemeinschaften erarbeitet wird.

- 24. Juni 2015: Die Römisch-Katholische Landeskirche hat zum Bericht des Regierungsrates zum Verhältnis Kirche und Staat im Kanton Bern Stellung genommen. Die Kirchgemeinden und der Synodalrat begrüssen im Grundsatz die vom Regierungsrat vorgeschlagene Totalrevision des Kirchengesetzes von 1945, wonach die Landeskirchen künftig für die Anstellung der Pfarrer und die pfarramtliche Versorgung im Kanton zuständig sind. Bedingung dafür sei die partnerschaftliche Entwicklung eines künftigen Finanzierungssystems, das Stabilität, Verlässlichkeit und langfristige Nachhaltigkeit garantiere. Die Kirche leistet mehr als sie kostet – dies zeige der regierungsrätliche Bericht.

- 27. März 2015: Die Landeskirchen und der Regierungsrat des Kantons Bern haben anlässlich einer Medienkonferenz Stellung zum Thema Kirche-Staat genommen. Der Regierungsrat hat den Expertenbericht und seine politischen Schlussfolgerungen vorgestellt, die Leitungen der Landeskirchen und der Verbände ihre Ansichten zum Expertenbericht und dem Antrag zur Weiterentwicklung des Verhältnisses Kirche-Staat dargelegt.

- 5. Februar 2015: Der Regierungsrat des Kantons Bern genehmigt die Totalrevision der Verordnungen über die Zuordnung der vom Kanton besoldeten Pfarrstellen. Mit der Revision der Verordnungen werden den Kirchgemeinden die Pfarrstellen nach neuen Kriterien zugeordnet und der Abbauprozess der Stellen geregelt. Die Verordnungen sind in enger Zusammenarbeit mit den beiden Landeskirchen ausgearbeitet worden und werden von ihnen mitgetragen.

- 2./3. Dezember 2014: An der Wintersynode der reformierten Landeskirche wird ein Bericht des Synodalrates zum Verhältnis Kirche – Staat präsentiert, der den Stellenwert der Religion und die Bedeutung der Landeskirchen für die Gesellschaft aufzeigt. Aufgrund der gemeinsamen Geschichte von Kirche und Staat trage die Landeskirche eine besondere, volkskirchliche Verantwortung für die Gesellschaft, so eine der Feststellungen. Und: Das Verhältnis von Kirche und Staat werde in den kommenden Jahren eine bedeutsame Thematik bleiben.

- 8. September 2014: Marsch der Kirchen in Bern. Aufgrund der Spardebatten im Kanton Bern organisieren Mitglieder der Kirchenbasis einen Marsch vom Waisenhausplatz zum Berner Rathaus. Der Anlass ist Bestandteil der Aktion „Kirche macht Sinn“ und  will aufzeigen, dass die Landeskirchen einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. Auf Römisch-katholischer Seite wird die Aktion von den Dekanaten und dem Synodalrat unterstützt.

- Juni 2014: Der Berner Regierungsrat macht bekannt, wie er den Sparauftrag des Grossen Rates umsetzen will. Demnach werden in den Jahren 2016 bis 2019 24,9 Stellen bei der Evangelisch-reformierten Landeskirche und 2,5 bzw. 0,1 Stellen bei der Römisch-katholischen und der Christkatholischen Landeskirche abgebaut.

- November 2013: Im Rahmen der Debatte über die Aufgaben- und Strukturüberprüfung (ASP) entscheidet der Grosse Rat, bei der pfarramtlichen Versorgung zwei Mio. Franken einzusparen. Zudem gibt er eine Planungserklärung ab, wonach in den folgenden drei Jahren je eine weitere Million einzusparen sei. Die Kirchen bedauern diesen Entscheid. Sie appellieren an die Kirchendirektion, bei der Umsetzung auf die Auswirkungen in den Kirchgemeinden zu achten. Die Motion von Grossrätin Schöni-Affolter, welche die Entlöhnung der Pfarrpersonen durch den Kanton abschaffen will, lehnt der Grosse Rat jedoch klar ab.

- Herbst 2013: Die grünliberale Grossrätin Franziska Schöni-Affolter reicht zwei Motionen ein, welche die Kirche betreffen: Die staatliche Besoldung der Pfarrpersonen sei abzuschaffen und durch Leistungsverträge zu ersetzen, die Stellenprozente von Pfarrpersonen sollen nach unten angepasst werden, so ihre Forderungen. In einem Schreiben an die Grossräte halten die Landeskirchen fest, dass sie einen wichtigen Beitrag zum Sozialstaat leisten und die Kirchen ihr Geld wert seien.

- September 2012: Die Löhne der Pfarrerinnen und Pfarrer im Kanton Bern werden weiterhin durch den Staat und nicht durch die Kirchen bezahlt. Das hat der Bernische Grosse Rat Anfang September 2012 in klarer Ablehnung der Motion von Adrian Wüthrich bestätigt. Diese hätte nach Ansicht der Landeskirchen wertvolle gesellschaftliche Errungenschaften aufs Spiel gesetzt.

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