Gemeinsam Zukunft gestalten. Beatrice Zimmermann und Silvia Ammann (v.l.). Foto: jm

Aufbrechen statt resignieren

Im Oberland fusionieren zwei Frauengruppen: Ein österliches Projekt für mehr Partizipation und Gemeinschaft.

Wir treffen uns im Dorf Hofstetten oberhalb Brienz. Nahe dem Museum Ballenberg. Silvia Ammann betreibt im schmucken Dorf den «Knuspereggen», eine Konditorei, die Ballenberg-Meringues, Mandeltuiles und Torten aller Art anbietet. Mitten in hausgemachten, gluschtigen Osterhasen trinken wir Kaffee. Silvia Ammann ist die Präsidentin der katholischen Frauengruppe Oberhasli-Brienz. Ihre Frauengruppe hat mit grossem mehr einer Fusion mit der katholischen Frauengemeinschaft Thun zugestimmt.

Mit beim Kaffee dabei ist auch Beatrice Zimmermann, die Präsidentin der Katholischen Frauengemeinschaft Thun. Beide Vereine arbeiten unter dem Dach des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Beide Vereine kämpfen mit Nachwuchsproblemen und fehlenden Vorstandsfrauen. Das waren Auslöser für die Vorwärtsstrategie. Die Idee zur Fusion kam von Thun aus. Beatrice Zimmermann: «Wir konnten verschiedene Posten im Vorstand nicht mehr besetzen. Die einen Frauen sind ins Alter gekommen, andere sind mit Hüten der Grosskinder beschäftigt, weil ihre Töchter arbeiten. Es bleibt für ältere wie jüngere Frauen heute nicht mehr viel Zeit übrig für längerfristige Einsätze in Ämtern der Vereine.»

Silvia Ammann bestätigt dies an ihrem eigenen Beispiel: «Ich begleitete meine Mutter ab und zu an die Hauptversammlung unseres Frauenvereins. An einer der Versammlungen suchte der Vorstand eine Kassierin. Niemand meldete sich. Die damalige Präsidentin sagte, es drohe die Auflösung des Vereins. Da meldete ich mich spontan für die Aufgabe.» Für viele katholische Frauen wie ihre Mutter, erzählt Silvia Ammann weiter, sei der Frauenverein ein wichtiger Ort der Beheimatung ihrer Konfession und der Begegnung geworden. Die meisten Katholikinnen im Oberland sind Zugezogene von «ännet em Brünig», arbeiteten im Service oder im Verkauf und fanden ihre Partner. «Eine Katholische zu heiraten war zu Zeiten meiner Mutter nicht unproblematisch», verdeutlicht Silvia Ammann: «Da kam schon ab und zu der reformierte Pfarrer vorbei und intervenierte ziemlich eindringlich.» Das hat sich nach 85 Jahren Bestehen der Katholischen Frauengruppe Oberhasli-Brienz gründlich geändert, betont Silvia Ammann. Heute sei das ökumenische Einvernehmen sehr gut. Am Weltgebetstag und an zwei bis drei Gottesdiensten, die vier christliche Glaubensgemeinschaften jährlich miteinander feierten, habe sich viel gegenseitiges Verständnis entwickelt.

Mit der Fusion ihrer beiden Vereine erhoffen sich beide Präsidentinnen einen neuen Aufschwung. Für viele Freiwillige ist heute eine verbindliche Einbindung in einen Verein unattraktiv. Projektartige, zeitlich begrenzte Angebote sind beliebter. Ist die Vereinsfusion tatsächlich der richtige Schritt? «Wir sind uns dieser Entwicklung bewusst », sagt Beatrice Zimmermann: «Als Regioverein sprechen wir im Namen von 280 Frauen, die ihre Gemeinschaft an Besinnungstagen, Weiterbildungskursen, Elisabethenfeiern, Ausflügen und Versammlungen pflegen und ihre Stimme in der Kirche einbringen können. Das hätte als lose Gruppe ohne Verbindlichkeit nicht die gleiche Wirkung.»Und Silvia Ammann ergänzt: «Als Verein sind wir nicht einfach eine lockere Gruppe von Frauen, sondern auch im juristischen Sinn eine Partnerin für die Kirchgemeinden. Die Fusion unserer Vereine wird aber auch neue Projekte ermöglichen. Die Katholische Frauengruppe Oberhasli-Brienz hat auch schon Familientreffen organisiert. Da haben dann Freiwillige sich für dieses eine Projekt eingesetzt. Das hat gut funktioniert.» «Und es ist ja nicht ausgeschlossen», ergänzt Beatrice Zimmermann, «dass zum Beispiel eine freie Wandergruppe entsteht, die Frauen aus dem ganzen Oberland zusammenbringt. » Beide Vereine in Thun und Brienz haben der Fusion zugestimmt. Sie wird an der Hauptversammlung am 8. März vollzogen. Bis dahin gibt es einiges an Administrativem vorzubereiten. Und es gilt den Ort der Versammlung zu bestimmen. Nicht ganz einfach bei den weiten Strecken im Oberland zwischen Gstaad, Meiringen und Thun.

Die Fusion passt eigentlich gut zum neu eingerichteten Pastoralraum, werfe ich ein. «Wir Frauen haben an unseren gemeinsamen Anlässen im Oberland schon weit vor der Einrichtung des Pastoralraumes zusammengearbeitet. An der Feier zu dessen Errichtung waren es wir Frauen, die sich gegenseitig bereits gekannt haben», und dann lächelt Beatrice Zimmermann durchaus provozierend: «Die Basis ist immer weiter als die strukturellen Veränderungen von oben.» Die beiden Frauen versprühen Energie und Kreativität. Nichts da von Museum, das alte Bausubstanz bewahrt, sondern Aufbruchsstimmung, die die feinen Osterhasen im «Knuspereggen» symbolisieren – die Kraft der Ostererfahrung. Aufbruch statt Resignation. Ein Beispiel fürs ganze Oberland.

Jürg Meienberg

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