Mehr Menschlichkeit, Schutz der Umwelt und Suche nach Wahrheit: Der Berner Lyriker und Schriftsteller Peter Fahr. Foto: Dan Miller

«... dass du noch verwundbar bist!»

Peter Fahr, Berner Schriftsteller und Dichter, veröffentlicht einen neuen Gedichtband. Ein Besuch in seiner Schreibstube.


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«war einst / die wahrheit das ziel / ist nun / die liebe der weg.»
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Es ist ein kalter, aber sonniger Tag. Der Blick aus dem kleinen Fenster seiner Dichtermansarde schweift über die ganze Stadt Bern. Jene Stadt, die der 1958 Geborene einst mit Plakaten aufgemischt hat. Lange bevor Blogs im weltweiten Netz die freie Meinungsäusserung in unüberschaubarer Menge möglich machten. Damals war für den jungen Fahr die Wahrheit das Ziel. 1982, 1983 und 1988 mietete er mit gesammeltem Geld Plakatwände in der Stadt Bern, später auch in Basel, Langenthal und Zürich, und rief mit einfach verständlichen Aphorismen zu mehr Menschlichkeit, mehr Verständnis für die Jugend und zum Schutz der Umwelt auf.
«Der Verzicht ist der Bruder des Genusses», textete Fahr beispielsweise. Die WoZ bezeichnete seinen «Moralismus » als «Sonntagsschule». Weil Fahr nicht sprayte, das Sprayen als Gewalt ablehnte, fand er in der linken Szene keine Gnade. Fahr litt, aber liess sich nicht beirren. Er, der Schriftsteller, der Dichter. Er schrieb für die Welt, die er verbessern wollte, lebte bescheiden, selbstbestimmt und selbstfinanziert. Fahr entstammt einer streng katholischen Familie. Er war das fünfte von acht Geschwistern. Mit 24 trat er aus der Kirche aus, auf der Suche nach der Wahrheit seines eigenen Weges. Mit 40, nach einer Lebenskrise, trat er wieder in die katholische Gemeinschaft ein. Nach den Jahren der Trennung entdeckte Fahr die innere Haltung, Teil eines Ganzen zu sein.

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«ich will den weg gehen / zum anderen / in mir selbst.»
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In Salzburg war es, in einem Gottesdienst, als er dem Verbindenden, der Liebe, wieder begegnete. Der Germanist und Kunstgeschichtler veröffentlichte Gedichtbände, Kinderbilderbücher, Essays, politische Lyrik und Hörspiele. Für viele seiner Werke schrieben Prominente ein Vorwort. Für den neusten Gedichtband «Über uns hinaus» gewann er Konstantin Wecker, für frühere Werke Jean Ziegler, Dorothee Sölle, Kurt Marti, Hans Saner. Für seine Textsammlung «Ego und Gomorrha» fand Fahr keinen Verleger. Er gründete seinen eigenen Verlag. Eine Todsünde im Literaturbetrieb, sagt Fahr heute. Er gewann kleinere Literaturpreise, zweimal ein Werkjahr von Stadt und Kanton Bern, verschiedene Werkbeiträge von der Stiftung Pro Arte bis Migros Kulturprozent und der Bürgi-Willert Stiftung. Seinem Buch «Menetekel», einer Hochglanzfibel zur Jahrtausendwende, mit vierzeiligen Gedichten zu Pressefotos des Jahres 2000, war Erfolg beschieden. Ebenso erreichte ein Kinderbilderbuch hohe Auflagezahlen.

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«dem licht entgegen / bin ich den schatten / den steten / doch niemals / los.»
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Im neuen Gedichtband «Über uns hinaus», der im Februar 2015 im Offizin Verlag erschienen ist, führt er in fünf Abschnitten – einer absteigenden Spirale gleich – in die Tiefen des Lebens, in eine Sinnsuche, die auch im Scheitern ihre Hoffnung bewahrt. «Wenn Fahr reimt, schludert er nicht; das ist heute eine Seltenheit», schreibt Konstantin Wecker im Vorwort. Er entdeckte bei Fahr eine stille und unaufdringliche Schönheit, «auf die man sich einlassen muss – mit Ruhe und Innenschau».

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«der weg nach innen / führt über uns / hinaus»
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Er, der Dichter, der auch für ein Hilfswerk arbeitet, seit über 30 Jahren verheiratet ist und nie abgelassen hat, innere Worte, laute Proteste, kreative Umschauen zu formulieren, einer «Suizidgesellschaft» den Spiegel vorzuhalten, führt im schmalen, aber inhaltsreichen Gedichtband vor, was es heisst, mit dem «ich» durch die Suche nach Wahrheit der Liebe entgegenzugehen:

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«jedes sehnen ein versagen, / jedes lieben eine frist. / viele tode musst zu wagen, / bis dein ich wahrhaftig ist. bleibe trotzdem so bescheiden, /dass du noch verwundbar bist! / viele tode musst du leiden, /bis dein ich unsterblich ist.»
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Jürg Meienberg 

Hinweise
Peter Fahr, «Über uns hinaus», Gedichte. Mit einem Vorwort von Konstantin Wecker, Offizin Verlag 2015, 168 Seiten, Fr. 24.–
Buchvernissage: 5. März, 19.30, Bibliothek Laubegg, Schosshaldenstr. 37, Bern. Musikalische Begleitung: Donna Molinari. Apéro. Eintritt frei.
Infos: www.peterfahr.ch

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