Verantwortlicher Priester der kroatischsprachigen Mission Bern, Gojko Zovko. Foto: jm

Enttäuscht, aber nicht verbittert

Mit dem Verkauf der Kirche Heiligkreuz verlieren die kroatischsprachigen Gläubigen in der Region Bern nach 32 Jahren ihren Gottesdienstort. Missionar Gojko Zovko im Gespräch.

Mit dem Verkauf der Kirche Heiligkreuz verlieren die kroatischen Gläubigen in der Region Bern nach 32 Jahren ihren Gottesdienstort. Nach intensiver Suche erhalten sie jetzt Gastrecht in der reformierten Kirche Bern-Bethlehem. Vielen kroatischen Gläubigen ist das sauer aufgestossen. Manche fragen sich, ob sie nun ihre Kirchensteuern der reformierten Kirche abliefern müssen. Missionar Gojko Zovko ist enttäuscht, sieht aber auch Chancen. Im «pfarrblatt»-Gespräch analysiert er die Situation.

«pfarrblatt»: Nach 32 Jahren «ihre» gewohnte Kirche zu verlassen, das schmerzt die kroatischen Gläubigen?
Gojko Zovko: Sie dürfen nicht vergessen, der Grossteil unserer Kroaten stammt, im Unterschied zu anderen Missionen, noch aus der ersten Generation. Wir haben vor fünf Jahren 40 Jahre Mission mit Bischof Felix Gmür in Bern gefeiert, die Italiener 90 Jahre. Unsere Kroaten besuchen mit ihren Familien Gottesdienste, die traditionell katholisch gefeiert werden, in katholischen Räumen, weil sie sich das so gewohnt sind.

Ihre Mission umfasst 8000 Kroaten. Bewegt sich der Besuch der Gottesdienste, ihrer Einschätzung nach, im ähnlich bescheidenen prozentualen Bereich wie bei den Schweizern?
Genau, wir haben vielleicht 10 – 12 Prozent der Gläubigen, die regelmässig unsere Gottesdienste besuchen. An den Sonntagen sind das ca. 500 Gläubige mit vielen Familien. Wir haben nur einen Termin in Bern und in der Umgebung am Sonntag. Unsere Gläubigen sind sich katholische Räume gewohnt. Unter uns, auch Heiligkreuz war ihnen eigentlich zu kalt, zu wenig barock.

Gäbe es im Raum Bern denn eine Kirche, die diesen Ansprüchen genügen würde?
Ich habe mir alle katholischen Kirchen angeschaut. Drei kämen in Frage, Bruder Klaus, die Dreifaltigkeitskirche und St. Antonius in Bümpliz. In Bruder Klaus und der Dreifaltigkeitskirche wären wir für die Gottesdienste willkommen gewesen, in der Dreifaltigkeitskirche feiern wir auch unser jährliches Missionsfest am zweiten Sonntag im September. Aber geeignete Gottesdienstzeiten am Sonntag zu finden waren schwierig. Dazu kommt, dass wir mindestens fünfhundert Gläubige sind und an Weihnachten und Ostern bis achthundert. Viele kommen aus der Region bis hin nach Biel oder vom Oberland hierher zum Gottesdienst. Das bedingt auch eine entsprechende Infrastruktur und natürlich Parkplätze. Die Verhandlungen mit St. Antonius scheiterten meiner Ansicht nach aus der Angst vor diesen Zahlen und auch wegen der Geldfrage.

Geldfrage? Die Kroatischen Gläubigen bezahlen doch Kirchensteuern wie die Schweizer Gläubigen.
Ganz genau. Und ich verstehe die Pfarreien. Wenn eine grosse Glaubensgemeinschaft anklopft, sollte sich ein Engagement auch finanziell lohnen. Ich war vor Bern sechs Jahre im Wallis. Damals mussten wir für jedes Fest im Pfarreisaal, den wir benutzten, an die 700 Franken bezahlen. Da haben wir es in Bern sehr gut. Hier können wir die Infrastruktur der Pfarreien benutzen, ohne bezahlen zu müssen. Hier in Bern werden die Pfarreien nicht finanziell belohnt, wenn die anderssprachigen Missionen die Pfarreiräume benutzen. Auf mein Verlangen hat die kroatische Mission jedes Jahr 20’000 Franken an Heiligkreuz für die Benutzung der Räume bezahlt. Ich schlug vor, dass man das auch St. Antonius bezahlen soll, wie wir die Miete für die evangelische Kirche in Bern-Bethlehem nun bezahlen. Ich bin überzeugt, dass wir damit auch in St. Antonius aufgenommen worden wären. Auch die übrigen Pfarreien müssten meiner Ansicht nach für das Gastrecht der anderssprachigen Missionen entschädigt werden. Missionare bekommen den monatlichen Lohn, die Missionen müssen aber sehr viel selber leisten. Aber – das System der Kirchensteuern in der Schweiz ist etwas Grossartiges. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine Kollegen in Frankreich oder in anderen Ländern werden nur über die Spenden der Gläubigen bezahlt. Wir unterstützen sie regelmässig.

Die Verhandlungen scheiterten Ihrer Meinung nach also am Geld?
Ich habe die Gründe erwähnt. Die Pfarrei müsste finanziell entschädigt werden und vom Gastrecht für anderssprachige Missionen profitieren. Dann wäre alles ok. Ich bin natürlich auch enttäuscht, weil in St. Antonius und in St. Mauritius ein Drittel der Pfarreiangehörigen aus Kroatien stammen. Sie bezahlen Kirchensteuern und ein Teil von ihnen besucht auch die Gottesdienste der Pfarrei. Wenn wir nun mit 500 Gläubigen aus der Region Bern die Kirche und die Räumlichkeiten mitbenützen möchten, müsste es doch möglich sein, der Pfarrei entsprechende zusätzliche finanzielle Entschädigungen aus dem Steuertopf zu bezahlen. Damit wäre sicher die Hemmschwelle niedriger uns aufzunehmen. St. Antonius scheiterte aber auch an den Gottesdienstterminen.

Man könnte auch argumentieren, dass nach 32 Jahren die Integration soweit fortgeschritten ist, dass sich die kroatischen Gläubigen in den jeweiligen Pfarreien, in denen sie leben, integrieren.
Das geschieht auch. Neue Kroaten kommen seit 1991 nicht mehr in die Schweiz. Über 80% sind zudem Schweizer Bürger. Es ist doch menschlich, dass jeder am liebsten zu Gott in seiner Muttersprache betet. Die Kroaten sind bereits sehr gut hier in der Schweiz integriert. Das sehen sie beispielsweise auch an all den kroatischen Sakristanen und Hauswarten, die in den Schweizer Pfarreien arbeiten. Unsere Mission hat sie tatkräftig dazu motiviert und unterstützt. Oder an den Erstkommunionfeiern, die kroatische mit schweizer Kindern in den Schweizer Pfarreien feiern. Wir beteiligen uns am Starttag der Erstkommunikanten hier in Bern und in St. Marien, Thun. Ich persönlich halte als Aushilfepriester gelegentlich in St. Marien und in St. Martin in Thun Werktagsgottesdienste. Das ist gar kein Problem. Aber es gibt eben einen Teil unserer Gläubigen, die Gottesdienste mit ihren Landsleuten und in ihrer Sprache und Tradition schätzen. Mitglieder aus der kroatischen Gemeinde sind heute auch Mitglied in der Synode, engagieren sich in Pfarreiräten oder Kommissionen. Wir sind nicht untätig geblieben.

Sie feiern Gottesdienste in Bern, Biel, Langenthal, Thun, Interlaken, Meiringen. Begegnen Sie ihren Gläubigen auch ausserhalb der Gottesdienste?
Überall nach der Messe bleiben wir in den Pfarreisälen bei Kaffee und Getränken im Gespräch. Zwei Besonderheiten der kroatischen Mission sind die Haussegnung oder Wohnungssegnung, eigentliche Familienbesuche zwischen Weihnachten und der Fastenzeit. Ich mache jeweils über 400 Hausbesuche. Da begegne ich den Fragen und Problemen unserer Gemeindemitglieder. Und – 80% unserer Gläubigen, die die Sonntagsgottesdienste besuchen wünschen noch die persönliche Beichte. Religionsunterricht bieten wir an allen Missionsstandorten an. Wir organisieren zudem auf der Mission Deutschkurse für Kroaten. Wer Arbeit finden will, muss deutsch sprechen können. Wir haben aber auch neuerdings Kurse in kroatischer Sprache, weil es mittleierweile auch verschiedene Mischehen gibt. Da möchte der Partner oder die Partnerin über die Sprache auch die kroatische Kultur kennen lernen.

Gerade bei den konfessionsverschiedenen Ehen gäbe es Anknüpfungspunkte für den neuen Gottesdienstort in der reformierten Kirche, oder?
Ja, das ist ein Anknüpfungspunkt. Allerdings fürchte ich, dass wir zuerst bis zu einem Drittel Gottesdienstbesucherinnen und –besucher verlieren werden. Wir werden sehen. Natürlich habe ich meine Gläubigen in einer Sonntagspredigt auch positiv zu beeinflussen versucht. Wir haben ein gutes Miteinander mit den reformierten Geschwistern. Ich erzählte folgende Beispiele: vor Weihnachten und Ostern bieten wir in der ganzen Schweiz Beichthören an. Aus der ganzen Schweiz helfen wir Missionare dabei einander aus. In Zug mussten wir auf eine evangelische Kirche ausweichen zum Beichthören, weil in der katholischen Kirche alles besetzt war. Und in Deutschland feierten wir nach den ersten Migrationswellen aus Kroatien auch in evangelischen Kirchen Messen. Das ist also nichts Neues für uns. Wir wurden in Bethlehem sehr freundlich und zuvorkommend begrüsst. Wir können Bilder, Kerzen, Weihwasser und Tabernakel aufstellen für unsere Gottesdienste.

Die reformierte Kirche bot ja während des Baus der katholischen Kirche St. Mauritius den Katholiken Gastrecht für die Sonntagsgottesdienste. Sie haben dafür also eine gewisse Tradition.
Ja, ich weiss. Ich habe mit den reformierten Pfarrern vor Ort auch abgemacht, dass wir zum Tag der Völker einen ökumenischen Gottesdienst mit den reformierten Gläubigen feiern wollen. Für kleinere Anlässe dürfen wir zudem die katholische Kirche St. Mauritius benützen. Auch wenn wir etwas enttäuscht sind, nicht in einer katholischen Kirche Gastrecht zu haben – Sie sehen, wir machen das Beste daraus, ich bin nicht verbittert. (lacht).

Interview: Jürg Meienberg

ZUR PERSON / Gojko Goya Zovko, Franziskaner Pater, Leiter der Kroaten-Mission der Region Bern, lebt seit 39 Jahren im deutschsprachigen Raum. Er studierte in Deutschland, zuerst Philosophie und Theologie, später Pädagogik und Geschichte. Zehn Jahre war er als Priester in einer deutschen Pfarrei in München aktiv. Dann arbeitete er darauf in Österreich in einer Pfarrei und unterrichtete Religion in der Schule. Dann kam er 1999 in die Schweiz. Sechs Jahre arbeitete er zuerst im Wallis und seit 13 Jahren leitet er die kroatische Mission in Bern. Neun Jahre war er Mitglied in der Planungskommission der Schweizer Bischofskonferenz als Vertreter aller anderssprachigen Missionen in der Schweiz. Acht Jahre war er zudem als Vertreter der Missionen Mitglied im Priesterrat des Bistums Basel.


Hintergrund

Ein ewiges Licht zieht um, «pfarrblatt»-Interview mit Pfarreileiter Paul Hengartner zum Verkauf der Kirche Heiligkreuz in Bern-Tiefenau und zum Neubeginn im Zentrum St. Johannes in Bremgarten,
Dezember 2017

 

Hinweise

GOTTESDIENST / Der erste Gottesdienst der kroatischen Mission findet in der reformierten Kirche Bethlehem am Sonntag, 28. Januar, 12.00 statt.

DVD / Zum 40 Jahre Jubiläum produzierte die Mission einen Film von Ivan Ivic über ihre Aufgaben.
Die 40minütige DVD bietet einen guten Einblick in die Arbeit des Missionars und seiner betreuten Gottesdienstorte.
Bezug: Katholische Kroaten- Mission Bern, Zähringerstrasse 40, 3012 Bern,
Tel. 031 302 02 15; 079 379 66 66

HOMEPAGE / Hrvatska katolička misija Bern (Kroatische Katholische Mission Bern)

 

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