Was wird der Papst Ende Jahr als Konklusion aus dem Amazonas-Papier vorlegen? Gottesdienst mit Papst Franziskus im Petersdom zum Abschluss der Amazonas-Bischofssynode am 27. Oktober 2019 im Vatikan. Foto: Paul Haring/Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

Kein Sprung, aber ein kleiner Schritt

Kommentar zur Amazonas-Synode von Prof. em. Walter Kirchschläger

Kommentar zur Amazonas-Synode von Prof. em. Walter Kirchschläger*, «pfarrblatt» online exklusiv

Johannes XXIII. hat der Kirche vor jetzt bald 60 Jahren die Vision von einem «Sprung nach vorwärts» mitgegeben. Als Vorgabe dafür sollten die Zeichen der Zeit beachtet werden, als Methode galt das Prinzip des Aggiornamento. Die Notwendigkeit dafür lässt sich nicht leugnen. Lange Jahre zogen die Verantwortlichen nicht am gleichen Strick. Bischof Franziskus brachte einen neuen Leitungsstil, allein seine bunt gekleideten Mitarbeiter, die Kardinäle und Bischöfe, lassen es an gemeinsamer Entschlossenheit mit ihm mangeln.

Schon vor der Amazonas-Synode wurde entsprechend beschwichtigt: Ihre Bedeutung für eine Problemlösung der Weltkirche wurde kleingeredet – so als könnte frau oder man einfach verhindern, dass hier ein Fuss in die Tür gestellt wird. Natürlich, es geht um Inhalte, nicht um Strukturen; aber wie soll eine Kirche in der Welt von heute glaubwürdig sein, wenn sie ihr eigenes Haus nicht ordentlich bestellt hat und überdies dafür mit unhaltbaren Argumenten aufwartet?

Die Hoffnungen waren also gross. Was während der Synode durchgesickert ist, machte zumindest nicht mutlos. Alle 120 Abschnitte des Schlussdokuments fanden die notwendige Zweidrittelmehrheit, auch wenn es beim Votum für die Zulassung von verheirateten Priester (n. 111) mit 128 Ja- und 41 Nein-Stimmen spürbaren Gegenwind gab, gefolgt von der Empfehlung für weibliche Diakone (n. 103: 137 Ja- und 30 Nein-Stimmen). Aber der Text wurde angenommen, und: Ja, das ist eine gute Botschaft. Freilich geht sie auf Kosten der Signale von Entschlossenheit und Erneuerungswillen.

So bleibt es bei einem überschaubaren Schritt, mit übergrosser, fast zaghaft scheinender Bedachtsamkeit. Zündende theologische Leitideen sind ausgeblieben, bleiben also dem Nachsynodalen Schreiben vorbehalten, das der Bischof von Rom nachreichen wird. So hat – frei nach Horaz – der Berg nicht ein impulsgebendes Wesen geboren, sondern eine Maus (vgl. ars poetica 139): Auch verheiratete Priester, ausgewählt aus bewährten ständigen Diakonen, in einer Perspektive von etwa zehn Jahren – wie Synodenteilnehmer abschätzen. Und über den Diakonat für Frauen wird neu nachgedacht. Zumindest das Postulat für gleiche Ämter von Mann und Frau ist ausgesprochen (n. 95). Bleibt zu hoffen, dass die Idee eines Sonderritus für Amazonien nicht dazu instrumentalisiert wird, für die sogenannte Weltkirche jede Beispielsfolge auszuschliessen.

Das klingt nicht unbedingt nach einem grossen Wurf, der (geistgeprägte) Dynamik auslöst. Zu viele Fragen bleiben offen: Warum nicht eine zügige Umsetzung – haben wir noch so viel Zeit, wo es doch, wer wollte es leugnen, tatsächlich schon «fünf nach zwölf» (Martin Werlen) ist? Warum erneut die Frauen in der zweiten Reihe, obwohl sie das Überleben der Kirche (nicht nur) in Amazonien gewährleisten. Warum ein bisschen Löcher stopfen, wenn doch der Staudamm neu gebaut gehört? Sind das alles nur Notmassnahmen, oder haben sich neue und tragfähige theologische Konzepte durchgesetzt?

Gegen die Versuchung der Unzufriedenheit muss in Erinnerung gerufen werden: Die Synode hätte, was Kirchenreform betrifft, auch eine Nullrunde werden können. Die Erneuerung der Option für die Armen in einem Akt der Selbstverpflichtung zahlreicher Bischöfe («Katakombenpakt») gab ein deutliches Signal einer neuen Entschlossenheit. So ist zumindest gelungen, was durch Jahrzehnte bisher vergeblich gefordert wurde, und es ist evident: Die Bedingungen für das (Priester-)Amt bleiben nicht in Stein gemeisselt. Das ist gut, sehr gut.

Natürlich: Es müssen weitere und konkrete Schritte folgen. Und andere pastorale Notstandsgebiete müssen Druck machen. Wer wollte leugnen, dass zumindest die deutschsprachige Region Europas dazu gehört? Das Glas ist nicht leer. Aber es hat noch erheblich Raum, bevor es wirklich voll ist.

 

*Walter Kirchschläger, geboren 1947 in Niederösterreich, studierte Theologie und Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana und an der Universität Wien. 1970 bis 1973 war er Sekretär des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König. 1972 wurde er mit einer Dissertation zu «Der Satan der Evangelien als Versucher» an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien promoviert, 1981 folgte ebenfalls in Wien die Habilitierung für Exegese des Neuen Testaments. Walter Kirchschläger war von 1982 bis zu seiner Emeritierung 2012 ordentlicher Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät Luzern. Von 1997 bis 2000 leitete er als Rektor die Hochschule Luzern, von 2000 bis 2001 war er Gründungsrektor der Universität Luzern. Walter Kirchschläger ist seit 1970 verheiratet und hat vier Kinder.

 

«pfarrblatt»-Dossier zur Amazonas-Synode

 

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