Statements von Mitgliedern der Arbeitsgruppe

Zwei Kirchgemeindepräsidenten im kurzen Interview.

Remo Berlinger, Präsident Römisch-katholische Kirchgemeinde Thun

Sie waren Mitglied in einer Arbeitsgruppe, welche die neue Kirchenverfassung erarbeitet hat. Was ist Ihnen vom Arbeitsprozess her in Erinnerung geblieben, wenn Sie zurückschauen?

Die Arbeitsgruppe führte ausserordentlich vertiefte und spannende Diskussionen zur Gestaltung einer zeitgemässen staatrechtlichen Institution, welche selbst nicht «Kirche» im pastoralen Sinn ist, ihr aber partnerschaftlich und konstruktiv zudienen muss. Es ging also darum, das Zusammenwirken der staatsrechtlichen Landeskirche (mit den Kirchgemeinden und Regionalverbänden) mit der kirchenrechtlichen Kirche (mit den Pfarreien und Pastoralräumen) so zu gestalten, dass dieses trotz gegenseitiger Abhängigkeit in eigenständiger Weise erfolgen kann. Besonders beeindruckend in Erinnerung geblieben ist für mich zudem die Formulierung der Präambel, in welcher das Selbstverständnis der Landeskirche leitbildartig zum Ausdruck gebracht wird.

Wieso muss mich die neue Kirchenverfassung als Steuerzahler interessieren?

Die Kirchenverfassung regelt Organisation und Wirken einer grösstenteils via Staat steuerfinanzierten Institution, welche anerkannterweise einen bedeutenden gesamtgesellschaftlichen Nutzen hat. Dabei dürfen die Steuern der juristischen Personen ausschliesslich für nicht-kultische, namentlich soziale und kulturelle Zwecke verwendet werden; die Steuern der natürlichen Personen hingegen dürfen auch für kultische Zwecke wie Gottesdienste und Sakramentenspendung eingesetzt werden. Ich meine, das ist doch für den Steuerzahler von Interesse.

 

Christian Furrer, Präsident der Kirchgemeindeversammlung Bern-Heiligkreuz

Wieso muss mich die neue Kirchenverfassung als Steuerzahler interessieren?

Die Kirchgemeinden erheben die Kirchensteuern und leiten aktuell 9 Prozent ihrer Erträge an die Landeskirche (Kantonalkirche) weiter, die damit ihren Aufwand (2017: 5,6 Mio. Fr.) bestreitet. Die Landeskirche Bern unterstützt u.a. das Bistum mit einem jährlichen Beitrag von 477‘000 Franken. Mit der neuen Kirchenverfassung übernimmt die Landeskirche auf 2020 neue Aufgaben, wie die Anstellung von 75 Seelsorgern, die bisher der Kanton wahrgenommen hat. Der Kanton wird der Landeskirche auch die entsprechenden finanziellen Mittel übergeben. Mit der neuen Kirchenverfassung ist daher keine Erhöhung der Kirchensteuern verbunden.


Wie beurteilen Sie die neue Verfassung, ist das in allen Teilen gelungen?

Die neue, moderne Verfassung ist in einer zeitgemässen und verständlichen Sprache formuliert. Während z.B. Synode und Synodalrat erklärungsbedürftig waren, erahnt man, was unter Landeskirchenparlament und Landeskirchenrat zu verstehen ist. Die Landeskirche ist Ansprechpartnerin des Bistums. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der beiden Partner werden klarer auseinandergehalten, wobei gegenseitiges Vertrauen und der Wille zur Zusammenarbeit entscheidend sind.
Mit der neuen Verfassung wird die Landeskirche ausgebaut aufgewertet und verstärkt. Daher wird auch das Landeskirchenparlament mit parlamentarischen Instrumenten und einer Finanz- und Geschäftsprüfungskommission ausgestattet. Zur Vermeidung von Interessenkollisionen wurden Unvereinbarkeitsbestimmungen eingeführt.
Neu ist auch der sprachliche Minderheitenschutz bei der Zusammensetzung des Landeskirchenrates: Die francophone Minderheit erhält eine Sitzgarantie. Diese Minderheit zählt etwa 23‘000 Mitglieder (14%), wobei sich die katholische Kirchgemeinde Moutier (4700 Mitglieder) noch abspalten könnte. Insgesamt ein ausgewogenes Werk, das weitgehend im Konsens erarbeitet wurde.


Wie beurteilen Sie die Kommission für die Anderssprachigen?

Anderssprachig bedeutet alle Sprachen, die nicht Kantonssprachen (Deutsch, Französisch) sind. Diese Gemeinschaften werden auch Migrantenkirchen genannt, die ihre Gottesdienste – nach ihrer Tradition - in einer anderen als in einer Kantonssprache feiern. Von den etwa 165‘000 Mitgliedern der Landeskirche haben über 40 Prozent keinen Schweizer Pass, sind Ausländer. Deshalb versteht sich die Landeskirche des Kantons Bern als Gemeinschaft, die aus verschiedenen Sprachen, Kulturen und Traditionen besteht (Präambel zur neuen Kirchenverfassung).
Es ist notwendig und naheliegend, dass diese Gemeinschaften mit einer Kommission direkt im Landeskirchenparlament vertreten sind und dort Anträge und Stellungnahmen einbringen und bei der Mittelverteilung mitreden können. Mit Ausnahme der italienisch-sprachigen und der spanisch-sprachigen Gemeinschaft (Finanzierung durch die Gesamtkirchgemeinde Bern) werden die anderssprachigen Gemeinschaften finanziell von der Landeskirche getragen (0,6 Mio. Fr. pro Jahr). Die portugiesisch-sprachige Gemeinschaft zählt 20‘000, die kroatische rund 8000 Mitglieder.

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