Präsident der Exekutive, Iganz Caminada. Foto: Pia Neuenschwander

Steuersenkung geplant

Ignaz Caminada, Präsident des Kleinen Kirchenrats der katholischen Kirche Region Bern, erklärt im Gespräch mit dem «pfarrblatt» die Hintergründe

Die Jahresrechnung 2017 der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung weist wiederum einen kräftigen Steuerüberschuss auf. Bei den natürlichen Personen sind es 1.2 Millionen Franken mehr als budgetiert, bei den juristischen Personen 910'000 Franken. Nun denkt der Kleine Kirchenrat, die Exekutive der Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung, über eine mögliche Steuerreduktion nach. Ihr Präsident und frühere Finanzminister, Ignaz Caminada, erklärt die Beweggründe:


«pfarrblatt»: Wenn man die Rechnung 2017 studiert, stellt man fest, dass römisch-katholische Menschen sehr gerne ihre Steuern zahlen.

Ignaz Caminada: Wieso?

Seit längerem sind die Steuereinnahmen jedes Jahr mit einer Million Franken über dem Budget.

Gut, das ist die Entwicklung der Steuereinnahmen, die es allgemein gibt, auch der Kanton und die Gemeinden haben mehr eingenommen. 0,207 Prozent der einfachen Steuern werden für die katholische Kirche verwendet. Im Gegensatz zu anderen Kantonen übernimmt der Kanton Bern die Steuerveranlagung und leitet die entsprechenden Steuereinnahmen an die katholische Kirche weiter.

Sie weisen ein Plus bei den natürlichen wie bei den juristischen Personen aus.

Das ist so. Bei den juristischen Personen haben wir den Vorteil gegenüber den politischen Gemeinden. Wenn eine Firma ihren Sitz von Gemeinde A zur Gemeinde B wechselt, dann hat das für die Gemeinde A einen direkten Einfluss auf ihre Steuereinnahmen. Wirtschaftet diese Firma weiterhin im Einzugsgebiet der Gesamkirchgemeinde, dann hat dies auf unsere Steuereinnahmen keinen Einfluss. Die Gesamtkirchgemeinde Bern umfassen rund 65 politische Gemeinden.

Können Sie beziffern wieviel beispielsweise die Swisscom als juristische Person bezahlt?

Nein, aus Datenschutzgründen dürfen wir das überhaupt gar nicht wissen. Wir wissen nur, dass 2017 die Einnahmen aus der Quellensteuer 30% tiefer sind als im Vorjahr. Wir wissen aber die Gründe nicht, sind vielleicht mehr Ausländerinnen und Ausländer weggezogen oder verdienen sie viel weniger?

Die Quellensteuer ist ein Indikator in Bezug auf den Mitgliederschwund?

Wir wissen es einfach nicht. Natürlich hat diese Mindereinnahme von 300‘000 Franken gegenüber den 30 Millionen Franken Ertrag auf das Gesamtergebnis nur einen geringen Einfluss.

Also, nochmals zurück auf das Plus von fast zwei Millionen Franken Einnahmen bei den natürlichen und den juristischen Personen. Hat die Kirche einen Mitgliederzuwachs, ist die Migration markant gestiegen?

Nein, die Mitgliederzahlen halten sich seit Jahren in etwa die Waage. Grundsätzlich geht es den Leuten besser, die wirtschaftliche Entwicklung ist positiv. 2013 war ein tiefer Punkt bezüglich der Steuereinnahmen. Da zahlten die Kirchenmitglieder 18 Millionen Franken Steuern. 2017 waren es bereits 20 Millionen Franken. Das können wir nicht beeinflussen.

Was sind jetzt die Gründe, dass der Kleine Kirchenrat eine Steuersenkung prüfen will?

Ganz einfach, der Finanzplan. Die öffentliche Hand, wie wir eine sind, muss überlegen, was sind unsere Aufgaben, was sind die Verpflichtungen, was ist unser Engagement zum Beispiel bei den sozialdiakonischen Aufgaben, oder unser Engagement für die Schöpfung, für Nachhaltigkeit. Diese Aufgaben, Verpflichtungen und dieses Engagements summieren sich zu einem Betrag.

Nun beeinflussen neue kantonale Regeln bei den Investitionen direkt unsere Rechnungsergebnisse. Früher konnten wir Investitionen vollumfänglich abschreiben, das heisst einfach formuliert ein Gebäude wurde gebaut und bar bezahlt, damit ist es abgeschrieben. Unseren Vorgängern war das wichtig, weil sie der zukünftigen Generation keine Schulden überlassen wollten.
Das wollen wir auch. Nach dem Harmonisierten Rechnungsmodell 2 (HRM2) wird nun diese Abschreibung neu geregelt. Dieses System verbietet eine sofortige 100% Abschreibung bei den Investitionen. Das ist der politische Wille des Kantons Berns.

Für die politischen Gemeinden ist das wirksamer als für die Kirche?

Den politischen Gemeinden kommt man damit ganz spezifisch entgegen, weil sie teils grosse Schulden haben und gleichzeitig mehr Geld zur Verfügung haben. Neu dürfen wir nur noch 4% des Investitionsvolumens pro Jahr abschreiben, vorher waren es wie erwähnt 10% plus 90%. Nun bleibt Bares zurück.

Vor einigen Jahren, als die Steuereingänge noch knapper waren, haben wir beispielsweise ganz bewusst die Bauinvestitionen auf 1.5 Millionen Franken pro Jahr plafoniert und verschiedene Umbauten und Renovationen zurückgestellt. Zwischenzeitlich konnten wir wegen der guten Finanzlage im Jahr 2017 die Investitionen auf 3,6 Millionen erhöhen, um so angestaute Investitionsvorhaben zu tätigen. Wie haben beispielsweise die grossen Umbauten wie St. Johannes in Bremgarten oder die Dachsanierung St. Mauritius realisieren können.

Stehen noch weitere Grossprojekte an?

Momentan sind wir daran, das Dach und die Fassade der Dreifaltigkeitskirche zu sanieren. Im Weiteren stehen noch Arbeiten in St. Franziskus Zollikofen an. Danach aber werden wir wieder auf 1.5 Millionen zurückfahren, und damit werden bei der aktuellen Finanzlage weitere Mittel frei sein. Wir müssen ehrlich sein. Wir wollen mit den Steuergeldern sorgsam umgehen.

Wichtige pastorale, soziale Projekte setzen wir um, ebenso den Ausbau der direkten Sozialhilfe und die Förderung der Nachhaltigkeit. Auch die kräftige Unterstützung des Kulturprojektes «Heitere Fahne» und den Caritas Markt. Da wir als öffentliche Hand aber nicht Steuern auf Vorrat einziehen dürfen, müssen wir beim aktuellen Finanzplan als Exekutive über eine Steuersenkung über 5% nachdenken.

2010 haben wir schon einmal eine eine jährige temporäre Steuersenkung vorgenommen. Auch mit einer Steuersenkung wäre es möglich, dass wir nächstes Jahr nochmals zwei Grossinvestitionen in Mehrfamilienhäuser in Jegenstorf und Bümpliz starten. Diese Mietobjekte generiert später zusätzliche Einnahmen. Übrigens werden wir in Bümpliz sozialer Wohnraum realisieren.

Spürt der Einzelne eine Steuersenkung überhaupt?

Bei einem durchschnittlichen Einkommen, zahlt man ca. 200 Franken Kirchensteuern, bei 5% würde man 10 Franken einsparen.

Gab es damals Reaktionen?

Nein, 2010 hat es keine Reaktionen gegeben, auch nicht als wir die Steuern 2011 wieder auf 0,207 anhoben.

Und was sparen die juristischen Personen?

Das weiss ich nicht, es sind einfach 5% Reduktion. Da wir aber keine einzelnen Zahlen kennen, kann ich die Reduktion nicht beziffern.

Unsicher bleiben das Ergebnis der neuen Steuerrevision „Steuervorlage SV 2017“ und die Auswirkungen der Neuregelung der Unternehmenssteuer. Ist es das nicht unklug, jetzt Steuern zu reduzieren?

Unser Finanzplan sieht für die nächsten drei bis fünf Jahren nicht schlecht aus. Wenn wir die Investitionen wieder auf den normalen Stand zurückfahren, bleibt auch Geld zurück. Wir haben in letzter Zeit, nochmals die Sozialhilfe stark aufgestockt.
Wir wollen aber nicht einfach Geld verteilen. Dazu braucht es ein Konzept, einen roten Faden, die richtigen Überlegungen. Zum Beispiel ist es uns ein grosses Anliegen, mitzuhelfen um die Armut im Raum Bern zu lindern. Wir haben dem Caritas Markt auf weitere Jahre jährliche Unterstützung von 50'000 Franken zugesagt, stärken die Sozialhilfe über die sogenannten drei Töpfe ab 2018 mit zusätzlichen 750‘000 Franken.

Eine Kirche wurde in Bern verkauft, die Heilig-Kreuz Kirche Tiefenau. Wir haben in Bern einige Kirchen, der Gottesdienstbesuch hält sich in bekannten Grenzen. Sind weitere Verkäufe geplant?

Eine Planung dazu gibt es nicht, aber sicher Ideen. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der pastoralen Seite. Das war auch so in Tiefenau. Nüchtern festgestellt, gibt es für Kirchen keinen Markt. Der Verkauf an die rumänisch-orthodoxen Gemeinde war ein Nullsummenspiel. Wir sparen hingegen jährlich etwa 200'000 Franken Unterhaltungskosten. Zudem sind wir mit unseren aktuellen Finanzen zum Glück hier nicht unter Druck, Kirchen verkaufen zu müssen.

Wie geht es jetzt konkret weiter mit der angekündigten Steuersenkung?

Im Juli haben wir die erste Budgetrunde 2019, Aufgaben und Engagements werden berechnet und wir werden die Steuereingänge budgetieren. Auf Fremdkapital sind wir nicht angewiesen. Dann rechnen wir mit und ohne die Reduktion von 5%. Nach dieser Runde, werden wir, wenn eine Steuerreduktion in Sichtweite rückt, eine Elefantenrunde mit allen Präsidien unserer Gremien zusammenkommen und darüber umfassend zu diskutieren. Die Idee einer möglichen Steuerreduktion soll breit getragen werden.

Entschieden wird an der Sitzung des Grossen Rates im November?

Zuerst werden wir im Herbst die zweite Budgetlesung haben, dann geht das Geschäft an der Grossen Kirchenrat. Die Budgetsitzung ist im November, richtig.

Sie persönlich stehen hinter einer Steuersenkung?

Ich habe schon als Finanzminister über eine mögliche Steuerreduktion gesprochen. Ich bin einer der sagt, wir machen unsere Aufgabe, wir machen sie verantwortungsvoll, aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Steuerzahlenden. Ohne sie kann die Kirche ihre Dienste gar nicht erfüllen. Wir wollen diese Gelder gut einsetzen.

Wenn wir in sinnvolle, wichtige Projekte wie Entwicklungsprojekte, Sozialhilfe, Kultur investieren können, hat das mit unserer Verantwortung und unserem besonderen kirchlichen Ethos zu tun. Immerhin investieren wir in Diakonie und Soziales über 6,7 Millionen jährlich, das sind 26% des Gesamtbudgets. Im Vergleich, 19% brauchen wir für die ganze eigentliche Organisation wie Verwaltungs- und Behördentätigkeiten.

Dieses sozialdiakonische Engagement wird breit akzeptiert und gehört zu unserem Auftrag. Das Geld soll innerhalb des Gesamtkonzeptes verantwortlich eingesetzt werden. Eine Steuersenkung kann dazu gehören. Da bleiben wir transparent und glaubwürdig. Wir horten keine Gelder.

Interview: Jürg Meienberg


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