Voneinander lernen

Im kantonalen Asyl-Durchgangszentrum Lyss-Kappelen leben rund 200 Personen im Transit. Rund 50 einheimische Frauen und Männer engagieren sich dort im Projekt «Tea&Talk».

Im Asyl-Durchgangszentrum Lyss-Kappelen engagieren sich rund 50 einheimische Frauen und Männer, die sich für das Projekt «Tea&Talk» zusammengetan haben. Jeden zweiten Freitag im Monat demonstrieren sie Menschlichkeit in einer speziellen Umgebung.

Kinder tollen auf einem Platz, Frauen scharen sich mit kleinen Kindern um den Informationsschalter, junge Männer schauen in einer Sofaecke auf ihr Handy, und rund ein Dutzend Personen lernt Deutsch. Ein Fitnessraum mit ausrangierten Kraftmaschinen steht für körperliches Wohlbefinden zur Verfügung, und eine Börse mit Kleidern von Einheimischen verteilt zweimal pro Woche Hosen, Pullis, Jacken sowie Hemden und Blusen an die Hausbewohnerinnen und -bewohner.

Wir befinden uns mitnichten in einer Freizeitanlage, sondern in einem Durchganszentrum (DZ) nahe Lyss; rund 200 Menschen aus 35 Nationen leben hier mit der Ungewissheit, wie und wo ihr Leben weitergeht; von den rund 30 Kindern besuchen viele hier den Kindergarten oder die interne Schule. «Die Kinder blühen hier auf», sagt DZ-Leiter David Zaugg. «Viele waren auf der Flucht isoliert und kamen traumatisiert hierher.»

Alpträume seien geblieben, doch durch das Spielen mit anderen Kindern seien sie hier nun gut aufgehoben. Die Unterkunft für Flüchtlinge war, solange die Zelte standen, umzäunt und wurde von einem Sicherheitsdienst bewacht. Dies diente laut Zaugg sowohl der Kontrolle der Asylsuchenden als auch der Abschirmung gegen allfällige Störaktionen von aussen, von denen es aber keine gab. Bis Dezember waren in Zelten rund 150 Männer zusätzlich auf dem Areal untergebracht, die nun für den Winter in stabile Gebäude im Jura umgezogen sind. Alle haben eine lange, körperlich und psychisch anstrengende und gefahrvolle Reise aus Ländern wie Syrien, Eritrea oder Afghanistan hinter sich.

Eine Portion menschliche Wärme

In diesem Umfeld engagieren sich rund 50 einheimische Frauen und Männer, die sich für das Projekt «Tea&Talk» zusammengetan haben. Jeden zweiten Freitag führen sie bei Kaffee, Tee und Guezli Gespräche mit Erwachsenen, spielen, basteln und singen mit Kindern, geben Nachhilfeunterricht im Lesen und haben vergangenen Herbst eine Kleiderbörse ins Leben gerufen. «Die Kleiderbörse wurde ein Renner», berichtet Marc Dinichert, Koordinator von «Tea&Talk». Zweimal pro Woche ist sie je zwei Stunden lang geöffnet.

«Einheimische haben uns spontan geradezu überhäuft mit Kleidern», erinnert sich Dinichert. Eine Asylsuchende aus dem Kosovo habe Ordnung in die Regale gebracht und sei zuständig für die Sortierung und übersichtliche Präsentation der Kleider. Auch Spielsachen und Gebrauchsgegenstände gehören zum Sortiment.

Unterstützung und Akzeptanz

«Tea&Talk» ist heute eine politisch und konfessionell neutrale Gruppierung. Verschiedene christliche Konfessionen wie auch Muslime sind Teil des Teams. Das Ganze begann im Dezember 2013 mit einer vorweihnachtlichen Kinderbescherung inklusive Nüssli und Mandarinen; eine Lysser Katechetin und ihre Tochter lancierten daraufhin ein regelmässiges Angebot mit den heutigen Freitagnachmittagen. Vor wenigen Wochen kam es in der Adventszeit erneut zu einem Fest.


Die Lysser Kulturfabrik hatte ihre Räume gratis zur Verfügung gestellt – für Dinichert ein Zeichen der grossen Unterstützung und Akzeptanz. Die Asylsuchenden kochten nach ihren heimatlichen Rezepten, Kinder erhielten Geschenke, es wurde gesungen und getanzt. Für Marc Dinichert ist das Projekt keine Einbahnstrasse von gebenden Einheimischen zu nehmenden Asylsuchenden. Auch umgekehrt komme viel zurück, lautet Dinicherts Bilanz: «Auch wir haben durch diese Begegnungen sehr viel gelernt.»

Hannah Einhaus

Im kantonalen Asyl-Durchgangszentrum Lyss- Kappelen leben rund 200 Personen quasi im Transit. Eben im Durchgang, in der Schwebe, im Ungewissen. Das Zentrum machte Schlagzeilen, weil bis Mitte Dezember für 150 weitere Asylsuchende Armeezelte aufgebaut waren. Das Zentrum befindet sich an der Grenzstrasse in der Industriezone Lyss-Süd, jedoch auf Kappeler Boden. Es existiert seit 15 Jahren. Für die Betreuung der Menschen zeichnet die Betriebsorganisation «Asyl Biel & Region» verantwortlich. Auf dem Areal soll ab 2017 ein Bundesasylzentrum entstehen.

Tea&Talk
Ein Angebot für die Asylsuchenden im Durchgangszentrum Lyss-Kappelen: Spielnachmittage, Kleiderbörse, Deutschunterstützung. Tea&Talk ist politisch und konfessionell neutral. Kontakt: Marc Dinichert-Staub, Rosengasse 28, 3250 Lyss, Telefon 032 384 63 62, marc.dinichert@besonet.ch, Spenden an: Tea&Talk IBAN CH50 0079 0042 9366 4329 7

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