Urflut und Ungeheur

In den Kulturen des Alten Orients gibt es die Bilder einer Urflut, eines Chaoswassers, aus dem dann die geordnete Welt mit Pflanzen, Tieren und Menschen entsteht. Mythen und Märchen erzählen «Wassergeschichten», die auch die alttestamentlichen Darstellungen prägen: Wasser ist einerseits ein unheimliches, bedrohliches Element, andererseits bedeutet es aber auch sprudelnde Frische, Leben, Frieden. Die Dichter des Alten Testaments greifen auf beide Bilder zurück.

 Gleich zu Beginn des Alten Testamentes schafft Gott Himmel und Erde. Zu Beginn ist die Erde noch wüst, wirr und dunkel, der Geist Gottes schwebt über der Urflut, dem Wasser. Nun macht Gott Ordnung, das Chaoswasser ist gebändigt, Leben wird möglich (Gen 1,1–2,4a).
In der zweiten Schöpfungs-Erzählungfängt’s anders an: Da ist die Erde trocken, das Wasser steigt von unten auf, tränkt den Ackerboden, dass Pflanzen wachsen können. Gott formt den Menschen und legt im Osten einen Garten an: Das Paradies, und wir wissen ja, dass es nicht von Dauer war. Aus dem Garten Eden jedoch entfliessen vier Ströme in die problembeladene Welt hinein, die so mit «paradiesischem» Wasser versorgt wird (Gen 2,4b–14).

In der vielschichtigen Bildersprache des Gottesglaubens werden Wassermetaphern denn auch unterschiedlich verwendet. Da ist in Gen 6 die Überschwemmung, mit der Gott seine Erde wieder verderben, Noah und seine Gefolge aber retten will, grauslich ist die Szene der im Wasser versinkenden Streit macht Pharaos (Ex 14), Hiob beschreibt das Walten Gottes unter anderem so: Wenn er die Wasser dämmt, versiegen sie, lässt er sie frei, zerwühlen sie das Land (Hiob 12,15). Gott herrscht über die Vögel am Himmel und die Fische im Meer – aber auch über «alles, was auf den Pfaden des Meeres dahinzieht», das sind die Seeungeheuer und all das garstige Getier auf dem Meeresgrund (Psalm 8). Wasser hat auch eine grosse Bedeutung für das Reinwerden vor Gott, für rituelle Waschungen: «Wasch meine Schuld von mir abund mach mich rein von meiner Sünde», wird gebetet (Psalm 51); der Prophet Ezechiel verheisst den Glaubenden: «Ich giesse reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein»(Ez 36,25). Friedlich ist das Bild vom Ruheplatz am Wasser (Psalm 23) oder von eschatologischem Heil, das so angekündigt wird: Die Berge triefen von Wein, die Hügel fliessen von Milch über, in allen Bächen Judas strömt Wasser und eine Quelle entspringt im Haus des Herrn (Joël 4,18).

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