Spoken-Word-RapperInnen in ihren Videos, gezeigt im grossen Saal des Strauhofs. Foto: Vera Rüttimann

Afrikanische Poesien

Eine Ausstellung im Zürcher Literaturmuseum Strauhof

Der Theologe Al Imfeld war fasziniert von den Gedichten Afrikas. Das Zürcher Literaturmuseum Strauhof zeigt unter dem Titel «Litafrika – Poesien eines Kontinents» wichtige Dokumente aus Al Imfelds Wirken als Brückenbauer zwischen den Kontinenten. Es macht damit die Stimmen afrikanischer Poet:innen sicht- und hörbar.

Von Vera Rüttimann

Eine rosarote Gummibadeschlappe mit dem Aufdruck «Love» landet aus afrikanischen Gewässern im Schnee einer hippen Geschäftstrasse in New York. Das gute Stück spielt die Hauptrolle im Zeichentrick-Video «To make use of water» von Safia Elhillo, einer sudanesisch-amerikanischen Dichterin.

Im Video «Au Commencement» faltet «Amee», eine Rapperin von der Cote d’Ivoire, ihre Hände zum Gebet. Fasziniert lauschen die Gäste im grossen Saal des Strauhofs den visuell grossartig inszenierten Spoken-Word-Gedichten.


Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist die Anthologie «Afrika im Gedicht», die 2015 in Zürich erschien Das vom Luzerner Theologen Al Imfeld (1935–2017) herausgegebene Buch umspannt die Zeit von 1960 bis 2014. Es enthält mehr als 550 Gedichte aus allen Teilen aus Afrika.

Afrika-Begeisterter aus Ruswil

Wer war dieser Al Imfeld? Geboren wurde er 1935 als erstes von dreizehn Kindern einer Bergbauernfamilie bei Ruswil LU. In ein katholisches Milieu geboren, las er früh in Missionszeitschriften. Dies erweckte in dem oft knorrig wirkenden Mann den Wunsch, Missionar zu werden.

Das Interesse an Afrika, und wenig später auch an seiner Literatur, war entflammt. 1968 begann Imfeld an einer rhodesischen Mittelschule Kurse in afrikanischer Geschichte und neuer afrikanischer Literatur zu lehren.

Beeindruckendes Netzwerk

Al Imfeld Mission war es ab den 70er-Jahren ein Anliegen, Literatur aus Afrika im deutschen Sprachraum präsenter zu machen. Er verstand sich aus Brückenbauer. Zu diesem Zweck bereiste er Afrika nicht nur häufig. Er pflegte auch einen regen Mailverkehr mit bekannten Freund:innen und Dichter:innen aus diesem Kontinent. Einige seiner Briefe sind in Schaukästen nachzulesen. Sie dokumentieren sein beeindruckendes Netzwerk.

Der Zentralschweizer war nicht nur Literaturvermittler und Übersetzer, sondern auch ein begnadeter, hoch produktiver Journalist, wie die Reportagen, Interviews und Buchbeiträge in der Ausstellung belegen. So schrieb Imfeld etwa das Nachwort für EL Lokos Autobiographie «Der Blues in mir». Imfeld starb 2017 in Zürich.

Mit ihren eigenen Stimmen

Im grossen Raum des Museums sind Tafeln aufgestellt, auf denen Gedichte bekannter afrikanischer Dichter:innen zu lesen sind, und zwar in der jeweiligen Originalsprache mit deutscher Übersetzung.


Noch spannender ist es, die Gedichte von den Autor:innen per Video und Audio vorgelesen zu kommen. Die Gedichte werden am Bildschirm auf Deutsch übersetzt.

Es geht in den Gedichten nicht nur um Themen wie Kolonialismus und Apartheid, sondern auch um Liebe und die Schönheit in der Natur. In einem Gedicht heisst es etwa: «Bald wird der Regen kommen und unsere ausgelaugten Seelen heilen. Etwas wird spriessen, wie eine Wüstenpflanze. Bewässert allein mit der Gischt von Stimmen. Sie wächst hartnäckig und zäh, die Calandria. Das ganze Jahr blüht sie, in der Kälte der Wüstenacht.»

«Speaking Hurricanes»

In vielen Gedichten wird die Apartheid verarbeitet. Das Gedicht «Totem mit dem Löwenherz» des Senegalesen Babacar Sall ist eine Referenz an das Lebenswerk von Nelson Mandela.

Der südafrikanische Dichter James Matthews landete im Gefängnis, weil er sich mit seinem Gedicht «Flowers» gegen die Apartheid auflehnte. Ama Ata Aidoo, Dramatikerin, Dichterin und Autorin aus Ghana, spricht in ihrem Text «Speaking Hurricanes» über die Korruption und Gewalt in den einzelnen Nationalstaaten Afrikas, die Autokrat:innen an die Macht bringt, was zu Migrationsströmen Richtung Europa führt.

Am Nerv der Zeit

Den Macher:innen dieser Ausstellung geht es darum, das Archiv Al Imfelds lebendig werden zu lassen und die vielfältigen Stimmen Afrikas zum Sprechen zu bringen. Entstanden ist ein «open achive». Die Stimmen aus der Anthologie haben hier einen würdigen Rahmen erhalten.

Diese Ausstellung trifft einen Nerv: Das Thema Empowerment (Ermächtigung) schimmert bei vielen Beiträgen durch. Eine junge Generation von Frauen und Männern will weg von einer Opferhaltung. Das schlägt sich in den Werken der Kreativen nieder. Chudi Bürgi resümiert: «Das Interesse am afrikanischen Schreiben und moderner Kunst ist merklich gestiegen.» Die Einschätzung dieser versierten Literaturvermittlerin hätte Al Imfeld bestimmt gefallen.

 

Hinweis:
«Litafrika – Poesien eines Kontinents» kann bis 4. September im Literaturmuseum Strauhof in Zürich besucht werden. Dies ist der erste Teil einer dreiteiligen Ausstellungsserie zur Literatur aus dem afrikanischen Kontinent (2022-2024).

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