Drehrad auf dem Versöhnungsweg in Köniz. Foto: Pia Neuenschwander

Allein mit Gott ins Reine kommen

Auf dem Versöhnungsweg in der Kirche St. Josef in Köniz.

Lebendig, aber nicht laut: In St. Josef Köniz sorgt ein Versöhnungsweg während der Fastenzeit für mehr Betrieb in der Kirche, auch ausserhalb der Gottesdienste.

Von Sabrina Durante

Das farbige Drehrad beim Kircheneingang ist eine ungewöhnliche Erscheinung: Gibt es hier etwas zu gewinnen? Eine ganze Menge, findet Katechetin und Jugendarbeiterin Chantal Brun. Zum Beispiel Einkehr und Versöhnung – mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen, mit Gott. Moment mal… dafür ist doch das Sakrament der Beichte gedacht? «Durchaus», bestätigt Brun, «doch nicht alle haben einen guten Zugang zur Beichte.

Für ganze Generationen stellt der Gang zum Beichtstuhl eine Stresssituation dar: was soll ich da nur erzählen?». So kommt es, dass für viele Menschen die «obligatorische» Beichte vor der Erstkommunion, Firmung und vielleicht Hochzeit zugleich auch ihre letzte war. Das blieb in der Kirche natürlich nicht unbemerkt. Auch im Kanton Bern begann sich eine Bewegung zu formieren, die nach Alternativen suchte, damit Menschen ohne «Mittelsmann» alleine mit Gott ins Reine kommen konnten. «Versöhnung» war dabei das Wort der Stunde.

Versöhnungsweg in der Fastenzeit

Seit rund 10 Jahren nun wird in St. Josef in Köniz während der Fastenzeit ein Versöhnungsweg in der Kirche aufgebaut. Angesprochen sind dabei alle, Kinder, Jugendliche, Erwachsene. «Im Prinzip geht es darum, mein Handeln zu reflektieren. Wo kann ich mich – auch im Kleinen – verbessern?» so Brun.

Jedes Jahr steht ein anderes Thema im Zentrum: Dieses Jahr sind es die «Ankerpunkte im Leben». Und jetzt kommt das farbige Drehrad ins Spiel, es entscheidet nämlich, mit welchem Posten gestartet wird. Sieben Stationen sind in der Kirche verteilt, dabei nimmt jeweils eine davon das Thema des Fastenopfers auf, während zwei weitere uns zur Reflektion über Rassismus und Diskriminierung animieren sollen – passend zur Antirassismuswoche, die vom 20.-27. März in Bern stattfindet.

Lebendige Beispiele

Mein erster Posten ist ein Bastkorb mit Esswaren, Kleidern, einem Plüschtier. Daneben ein Koffer mit handgeschriebenen Aufklebern, ein Karton mit Fotos und Erzählungen aus einem Flüchtlingscamp in Griechenland. Eine Pfadileiterin der Gemeinde hat zwei Jahre in verschiedenen Camps gearbeitet und eindrückliche Erlebnisberichte von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan gesammelt. Was bedeutet Flucht für mich? Was vermisse ich, wenn ich mein Zuhause verlassen müsste? Was nehme ich mit? Diese Fragen sprechen sowohl Kinder als auch Erwachsene an, laden zum Nachdenken ein, versetzen uns in eine Situation, die vielleicht nicht angenehm ist, aber uns dafür tiefer schauen lässt in uns selber.

Beim nächsten Posten warten in der Schachtel ein Bilderbuch und ein Bibeltext – kleine Kinder oder solche, die nicht gerne lesen, werden durch die einfache Geschichte zu einer weiteren Grundfrage geführt. «Gerade für Eltern mit Kindern unterschiedlichen Alters ist das ein dankbares Vorgehen», findet Brun. Denn die Fragen, die uns auf dem Versöhnungsweg begegnen, sprechen alle an – die Antworten aber variieren je nach Alter und Lebenserfahrung.

Versöhnung und Beichte schliessen einander nicht aus

Was, wenn nach dem Versöhnungsweg noch Fragen in mir nachhallen und mich beschäftigen? «Ein Gespräch mit einem Seelsorgenden ist jederzeit möglich», betont Brun. Versöhnungswege gibt es verschiedene in der Schweiz, im Aargau etwa eine ganze Installation zum Thema Spiegel, welche die Pfarreien ausleihen können. Chantal Brun und ihr Team scheuen den Aufwand nicht, jedes Jahr einen Parcours zu einem neuen Thema zu kreieren. «Versöhnung ist ein immerwährender Prozess», erklärt Brun. «Wenn ich mich jedes Jahr den gleichen Fragen stelle, komme ich nicht weiter».

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