Ein palästinensischer Junge aus Bethlehem leidet an schwerstem Asthma. Das Kinderspital Bethlehem rettet ihn aus akuter Lebensgefahr und versorgt ihn mit der nötigen Langzeittherapie. Eine Reportage aus Bethlehem von Inge Günther.
Asers eben noch fröhliches Gesicht verzieht sich jammervoll: Er mag keine Spritzen. Wie soll ein zweijähriger Bub auch verstehen, dass die monatliche Kortison-Injektion für ihn lebensnotwendig ist?
Einen derart schweren Fall von Asthma habe er noch nie erlebt, sagt Dr. Ra’fat Allawi, der einzige pädiatrische Pneumologe in Palästina und einer der Fachärzte im Kinderspital Bethlehem. Antihistamine und Sauerstoff reichten da nicht aus. Nur mit einer zehnfach erhöhten Kortison-Dosis lasse sich bislang Asers extreme Reaktion auf alles, was sein Körper als fremd erkennt, ob Gras, Smog oder Mückenstich, unter Kontrolle bringen.
Ein Kampf um Leben und Tod
Diese hohe Dosis wird nur in Ausnahmefällen verabreicht. Jedoch nahmen Ärzte und Eltern dies in Kauf. Das Einzige, was zählt, ist, dass Aser lebt. Und das meist recht vergnügt. Er hat ein unwiderstehliches Lachen, das für so einen kleinen Jungen erstaunlich rau klingt. Eine Folge der langen Zeit, in der Aser auf der Intensivstation künstlich beatmet wurde.
Eine reaktive Atemwegserkrankung war bei Aser bereits mit sechs Monaten diagnostiziert worden. An seinem ersten Geburtstag wird es richtig schlimm. Das Kind konnte kaum mehr atmen. Asers Mutter Rawan bringt ihren Sohn eilends ins Kinderspital. Doch seine Sauerstoffwerte sinken, sein Zustand verschlechtert sich dramatisch. Aser muss umgehend auf die Intensivstation und intubiert werden. «Die Entscheidung, ihn maschinell zu beatmen, war nicht leicht. Ein massiver Eingriff für einen Säugling», erinnert sich Dr. Ra’fat, «Aber sonst wäre er gestorben.»
Auch so war es ein Kampf um Leben und Tod. Erst nach zwei Wochen trat Besserung ein. «Es schien wie ein Wunder», berichtet der Arzt. Ein Wunder, das freilich nicht vom Himmel fiel, sondern viel mit der guten Ausstattung des Kinderspitals, der Expertise des Personals und dem Teamgeist zu tun hat.
Das Kinderspital behandelt auch seltene Krankheiten
«Wenn es um schwere, seltene Krankheiten geht, stechen wir raus», sagt Chefärztin Dr. Hiyam Marzouqa. «Denn wir bleiben dran, bis wir die Diagnose haben.» Im von Israel ummauerten Bethlehem fühlt man sich leicht wie abgeschnitten von der Aussenwelt. Umso mehr kommt es auf gute Vernetzung an. «Wir wollen, dass auch palästinensische Kinder eine bestmögliche Behandlung bekommen», betont die Chefärztin.
Der Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern finanziert und betreibt das Kinderspital Bethlehem im Westjordanland. Zehntausende Kinder und Babys werden dort jährlich stationär oder ambulant behandelt. Infolge der aktuellen kriegerischen Situation ist der uneingeschränkte Zugang zum Kinderspital zurzeit für die kleinen Patientinnen und Patienten sowie für die Mitarbeitenden nicht mehr gewährt, da die israelische Armee im Westjordanland umfangreiche Strassensperren errichtet hat. Der Bedarf an pädiatrischer Versorgung bleibt weiterhin hoch. Das Spital hat Massnahmen ergriffen, um die medizinische Betreuung von Kindern zu garantieren. So wurde eine 24-Stunden-Hotline für telefonische Beratung eröffnet und zu Patienten mit chronischen Erkrankungen wurde Kontakt aufgenommen, um sicherzustellen, dass sie die nötigen Medikamente haben. Das Kinderspital setzt sich dafür ein, dass alle Kinder Hilfe erhalten, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion. Mit 250 lokalen Angestellten ist das Kinderspital Bethlehem ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. Nur dank Spenden kann das Kinderspital Bethlehem seine Aufgaben erfüllen und Kinderleben retten.
Das Spital ist in der Regel auf Spenden angewiesen. Selbstzahler wie Asers Eltern, die eine private Krankenversicherung haben, sind die Ausnahme. Die Mutter, dezent geschminkt mit Kopftuch, arbeitet bei der Bank of Palestine, der Vater als Tierarzt in Hebron. Wegen der guten Behandlung im Kinderspital fahren sie jedoch nach Bethlehem.
Aser hüpft schon wieder durch den bunten Spitalkorridor, als die Erwachsenen noch diskutieren: Die hohe Kortison-Dosis macht dem Vater Sorgen. Dr. Ra’fat hofft, sie im neuen Jahr senken zu können. Zumal die Steroide, die Asers Immunsystem ruhigstellen, im Nebeneffekt aggressives Verhalten begünstigen. Manchmal leidet darunter auch Asers Zwillingsbruder Adam.
Ein normales Leben trotz Asthma
Beim Hausbesuch am Nachmittag mit der spitaleigenen Sozialarbeiterin Hazar Barham liegt Aser unter der Sauerstoffmaske auf der Couch. Mit einem Auge auf die spielenden Zwillinge schildert Rawan ihre Ängste um Aser während jener 17 Tage, die er als fiebriges Bündel Elend auf der Intensivstation lag. Direkt nebenan befindet sich die Mütterabteilung, in der auch Rawan untergebracht war. «Für mich das Beste überhaupt», sagt sie. «Ich musste nur die Tür öffnen und war meinem Sohn nahe.»
Die Unterstützung des Sozialdiensts half ihr ebenfalls, die kritische Zeit durchzustehen. Ein Kontakt, der andauert. Seiner Mutter Rawan ist bewusst, «dass jeden Moment etwas passieren kann. Aber es ist beruhigend zu wissen, in kurzer Zeit in guten Händen zu sein.»
Nicht zuletzt macht Dr. Ra’fats Prognose den Eltern Mut. «Leicht wird es nicht», glaubt er. Inhalationsmittel werde Aser auch als Erwachsener brauchen. «Aber er wird ein normales Leben führen können.»
Spenden Kinderhilfe Bethlehem: IBAN CH17 0900 0000 6002 0004 7
www.kinderhilfe-bethlehem.ch