2016 gedachten die Schweizer Bischöfe und Ordensoberen in einer Bussfeier der Opfer sexuellen Missbrauchs. Die Feier fand in der Basilika Valeria in Sitten statt. Foto: Sylvia Stam

Aufarbeitung sexueller Missbrauch

Rückblick auf die bisherige kirchliche Aufarbeitung

Am 12. September erscheint die historische Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz. Ein Meilenstein in der Aufarbeitung eines dunklen Kapitels. Das Bemühen um einen verantwortungsvollen Umgang mit Missbrauch im kirchlichen Kontext und um Prävention setzte um die Jahrtausendwende ein. Ein Rückblick.

von Barbara Ludwig, kath.ch

Im Dezember 2002 erliessen die Schweizer Bischöfe erstmals schweizweit gültige Richtlinien zur Prävention und zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs. Gleichzeitig setzten sie ein entsprechendes Fachgremium ein, das die Bischöfe beraten und Kontrollfunktionen wahrnehmen sollte. Die Bischöfe bekundeten damals ihre Absicht, einem «Klima des Verheimlichens» entgegenzuwirken.

Integration der Ordensgemeinschaften

Die Richtlinien wurden in den folgenden Jahren mehrmals überarbeitet. 2014 wurden mit der dritten Auflage die Ordensgemeinschaften ins Boot geholt. Seither geben die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die Vereinigung der Höhern Ordensoberen (VOS) die Richtlinien gemeinsam heraus.

Die dritte Auflage betone das Anliegen der Prävention stärker, sowohl in der Ausbildung als auch in den Fortbildungsprogrammen, teilte die SBK damals mit. Zurzeit ist die vierte Auflage von März 2019 mit dem Titel «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» in Kraft.

Darin nimmt die Prävention einen wichtigen Platz ein: So muss jede Diözese und jede Ordensgemeinschaft über ein eigenes Präventionskonzept und eine Präventionsbeauftragte verfügen. Mehrere Massnahmen betreffen das Aufnahmeverfahren ins Priesterseminar oder die Aus- und Weiterbildung. Wer bei der Kirche arbeiten will, muss nebst dem Privatauszug aus dem Strafregister auch einen Sonderprivatauszug vorweisen, der beim Kontakt mit Minderjährigen von Bedeutung ist.

Ab 2011 setzten zudem alle Bistümer Fachgremien als Anlaufstellen ein, wo sich Betroffenen an unabhängige Ansprechpersonen wenden können.

Fonds für verjährte Fälle

Ein Meilenstein war die Errichtung des Genugtuungsfonds für verjährte Missbrauchsfälle, den die Bischöfe 2016 einrichteten. Finanziert wird der Fonds von den Bistümern, den Ordensgemeinschaften und der Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ). Opfer von sexuellen Übergriffen erhalten einen einmaligen Beitrag von höchstens 20'000 Franken, seit 1. Juli 2021 hängt die Höhe der Summe nicht mehr primär von der Schwere der erlittenen sexuellen Gewalt ab.

Verhaltenskodex

Aufsehen und zum Teil Kritik erregte in der Deutschschweiz im vergangenen Jahr ein neuer Verhaltenskodex des Bistums Chur, den sich alle Mitarbeitende im kirchlichen Dienst zu eigen machen müssen. Er soll sämtliche Formen von Missbrauch in der Kirche verhindern. Das Dokument formuliert Qualitätsstandards und konkrete Verhaltensanweisungen.

Auch das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg hat in Anlehnung an das Churer Dokument einen Verhaltenskodex erarbeitet, der bislang im deutschsprachigen Teil der Diözese eingeführt wurde. Wann die französische Übersetzung des Kodex im französischsprachigen Gebiet des Bistums eingeführt wird, ist noch nicht bekannt.

Keine schweizweite Untersuchung

Noch gibt es keine schweizweite Untersuchung der sexuellen Übergriffe. Dies ändert sich erst mit der historischen Pilotstudie, deren Ergebnisse am 12. September vorgestellt werden und die bis den Zeitraum ab Mitte des 20. Jahrhunderts umfasst.

Einzelne Klöster und Ordensinstitute haben jedoch ab 2011 Untersuchungen durch externe Experten durchführen lassen. Die Benediktinerabtei Einsiedeln war die erste Ordensgemeinschaft, die diesen Schritt machte.

Website zur Pilotstudie, bisherige Aufarbeitung

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