Für P. Antonio Grasso sind Sprachgemeinschaften Brückenbauerinnen. Foto: Pia Neuenschwander

Aufwertung der Sprachgemeinschaften

Abstimmung über «Kirchenverfassung» Bern

In der katholischen Kirche der Stadt und Region Bern gibt es eine Abstimmung über eine neue Verfassung. Die anderssprachigen Gemeinschaften sollen künftig wie Kirchgemeinden behandelt werden.

Von Andreas Krummenacher

Die römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung ist ein Zusammenschluss von zwölf Kirchgemeinden aus der Stadt und Region Bern. Ihr neues Organisationsreglement ist de facto eine neue Verfassung. Diese entstand in mehrjähriger Arbeit und ist ein umfassendes Regelwerk. Es enthält beispielsweise eine Präambel, Bezeichnungen wurden geändert; auch sind künftig Anstellungsverhältnisse über die Kirchgemeindegrenzen hinweg einfacher möglich. Die grossen Änderungen aber betreffen die anderssprachigen Gemeinschaften. Diese können nun als solche anerkannt werden. Sie sollen in der Konferenz der Kirchgemeindepräsidien und im Grossen Kirchenrat vertreten sein. 

Zwei Sprachgemeinschaften

In Bern sind die spanisch- und die italienischsprachige Gemeinschaft als solche anerkannt. Sie haben je ein eigenes Zentrum, eine eigene Kirche. Die kroatisch- und die portugiesischsprachige Gemeinschaft sind anders organisiert, teilweise über den Kanton Bern hinaus. Für sie ist die Landeskirche zuständig.

Pater Antonio Grasso von der Missione Cattolica di Lingua Italiana di Berna und Pater Emmanuel Cerda von der Misión de lengua española región Berna sprechen sich auf «pfarrblatt»-Nachfrage klar für das neue Reglement aus. Pater Emmanuel bespricht sich dazu mit seiner langjährigen Sekretärin Nhora Boller. Sie kennt die Mission wie keine zweite.

Früher sprach man von Missionen. Sie entstanden für die seelsorgerliche Betreuung der damaligen sogenannten «Gastarbeiter». Gekommen sind bekanntlich Menschen, und sie sind geblieben. Die Missionen entwickelten sich zu religiös-kulturellen Anlaufstellen für Nöte aller Art.

Pater Antonio hält fest, dass er mit dem Begriff «Mission» nicht ganz glücklich sei. In der Migrationspastoral in der Schweiz verwende man den Begriff «Sprachgemeinschaften». Das sei für ihn sehr sympathisch, grenze nicht ab und mache keinen Unterschied. 

Es gibt in den Kirchen immer wieder die Meinung, die Sprachgemeinschaften seien in die Pfarreien zu integrieren und aufzulösen. Ein solches Denken offenbart für Pater Antonio ein «veraltetes Pastoralmodell». Es gehe heute darum, das Evangelium zu verkünden, egal wo und für wen. Das sei nicht an einen Ort gebunden. «Wenn eine Gemeinschaft dies (gut) tut, muss sie unterstützt und nicht aufgelöst werden. Wir müssen lernen, Kirche in verschiedenen Formen und an verschiedenen Orten zu leben.» Für Pater Antonio ist die Territorialpfarrei nicht die einzige «Hüterin des Glaubenserbes» und der Verkündigung. Jeder Mensch müsse die Freiheit haben, jene Glaubensgemeinschaft zu wählen, die als «Heimat» empfunden werde und die helfe, den eigenen Glauben zu leben. 

Auch Nhora Boller ist dieser Ansicht. Es gehe nicht um Integration, sondern um Ergänzung. Natürlich seien die katholischen Sprachgemeinschaften gefordert, für das Miteinander einzutreten und die neue Chance zu packen. Sie ergänzt: «Seit mehr als 60 Jahren sind die katholischen Sprachgemeinschaften die erste Tür, an die Migrant:innen anklopfen, auch solche, die nicht katholisch sind. Hunderte ehrenamtliche Helfer:innen haben sich seitdem um die alltäglichen Bedürfnisse, Sorgen und Hoffnungen dieser Menschen gekümmert. Dies ist, jenseits von Kategorien wie Nationalität, Ethnie oder Religion, ein weithin sichtbares Zeichen für einen gelungenen Beitrag an die Gesellschaft.» 

Für Pater Antonio sind die Sprachgemeinschaften als Glaubensgemeinschaften generell wichtig, weil sie einen je eigenen Stil pflegen, die Menschen bei ihrer Art der Volksfrömmigkeit abholen. Die Sprachgemeinschaften würden helfen, die Menschen mit der Gesellschaft und der Kirche, in die sie immigrieren, vertraut zu machen, sie kennenzulernen. Die Missione Cattolica betreibe ausserdem Sozialhilfe, Hilfe für Familien, oder veranstalte kulturelle Anlässe. «Wir sind Brückenbauer zwischen den Migrant:innen, der Gesellschaft und der Ortskirche», so erklärt er weiter. 

Das duale System

Sollte das neue Organisationsreglement angenommen werden, werden die Sprachgemeinschaften über ihre Struktur diskutieren. Ansatzweise gibt es bereits analog zu den Kirchgemeinderäten Missionsräte. Die spanischsprachige Gemeinschaft hat seit Juli eine Co-Leitung. Die Missione Cattolica werde, so Pater Antonio, eine Kommission einsetzen, die sich beispielsweise um administrative Aspekte kümmern wird – analog zu einem Kirchgemeinderat. Man stehe zum schweizerischen, zum bernischen Kirchenmodell.

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